Dreiphasiger Kurzschlussstrom (Ik) an einem beliebigen Punkt innerhalb einer Niederspannungs-Anlage
In einer dreiphasigen Anlage wird der Kurzschlussstrom an einem beliebigen Punkt bestimmt durch:
[math]\displaystyle{ I_k = \frac{U_{20}}{\sqrt 3 Z_T} }[/math] , wobei gilt:
U20 = Spannung zwischen den Außenleitern an den Sekundärwicklungen (ohne Last) des(r) Versorgungstransformator(en).
ZT = Gesamtimpedanz pro Außenleiter der dem Fehlerort vorgeschalteten Anlage (in Ω)
Methode zur Berechnung von ZT
Jede Anlagenkomponente (MS-Netz, Transformator, Kabel, Leistungsschalter, Sammelschienen, Schienenverteiler usw.) wird durch ihre Impedanz Z gekennzeichnet. Die Impedanz beinhaltet einen Widerstand (R) und einen Blindwiderstand (X). Kapazitäten spielen für die Berechnung von Kurzschlussströmen keine Rolle.
Die Parameter R, X und Z werden in Ohm angegeben und stellen jeweils eine Seite eines rechtwinkeligen Dreiecks dar, wie im Impedanzdiagramm in Abbildung G32 gezeigt wird.
Die Methode besteht in der Aufteilung des Netzes in geeignete Abschnitte und der Berechnung der R- und X-Werte für jeden dieser Abschnitte.
Bei in Reihe geschalteten Netzabschnitten werden alle Widerstands- und Blindwiderstandskomponenten in den Abschnitten arithmetisch addiert, um RT und XT zu erhalten. Die Impedanz (ZT) für die betreffenden kombinierten Abschnitte wird dann mit folgender Formel berechnet:
[math]\displaystyle{ Z_T= \sqrt {R_T\ ^2 + X_T\ ^2} }[/math]
Zwei beliebige parallelgeschaltete Netzabschnitte können, wenn beide vorwiegend ohmisch (oder beide induktiv) sind, kombiniert werden, um wie folgt einen einzigen entsprechenden Widerstands- (oder Blindwiderstands-) wert zu erhalten:
Sind R1 und R2 die zwei parallelgeschalteten Widerstände, wird der entsprechende Widerstand R3 bestimmt durch:
[math]\displaystyle{ R_3 =\frac {R_1 \times R_2}{R_1 + R_2}\ , }[/math]
oder für Blindwiderstände
[math]\displaystyle{ X_3 = \frac{X_1 \times X_2}{X_1 + X_2} }[/math]
Es sei darauf hingewiesen, dass die Berechnung von X3 nur getrennte Stromkreise ohne gegenseitige Induktivität betrifft. Liegen die parallelgeschalteten Stromkreise nah beieinander, ist der Wert von X3 beträchtlich höher.
Bestimmung der Impedanz jeder Komponente
Dem Verteiltransformator vorgeschaltetes Verteilnetz
(siehe Abb. G33)
Die dreiphasige Abschaltleistung Pk , in MVA[1]oder der maximale Kurzschlussstrom wird vom betreffenden Energieversorgungsunternehmen angegeben. Von diesem Wert kann ein entsprechender Impedanzwert abgeleitet werden.
Pk | U20 (V) | RQ (mΩ) | XQ (mΩ) | ZQ (mΩ) |
---|---|---|---|---|
250 MVA | 420 | 0,077 | 0,772 | 0,776 |
500 MVA | 420 | 0,038 | 0,386 | 0,388 |
Eine Formel zur Ableitung und gleichzeitig zur Umrechnung der Impedanz in einen entsprechenden NS-Wert lautet wie folgt:
[math]\displaystyle{ Z_Q = \frac{U_o\ ^2\times C_{MS}}{P_k}\ }[/math]
wobei gilt:
ZQ = Impedanz des MS-Netzes in mΩ
U20 = Bemessungsspannung zwischen den Außenleitern (NS ohne Last) in V
Pk = Abschaltleistung des MS-Systems in MVA
CMS = Spannungsfaktor für das MS-System zur Berechnung der Kurzschlussströme gemäß IEC 60909-0 (VDE 0102)
UMS = Nennspannung des MS-Systems
Der vorgeschaltete (MS) Widerstand RQ ist im Allgemeinen, verglichen mit dem entsprechenden XQ, vernachlässigbar. Für XQ wird der Widerstandswert für ZQ angenommen. Sind genauere Berechnungen erforderlich, kann für XQ ein Wert von 0,995 ZQ und für RQ ein Wert von 0,1 XQ verwendet werden.
Abbildung G36 enthält RQ- und XQ-Werte entsprechend den häufigsten MS[2]-Kurzschlusswerten in Versorgungsnetzen des EVU (also 250 MVA und 500 MVA).
Transformatoren
(siehe Abb. G34)
Die Impedanz Ztr eines Transformators, von den NS-Klemmen aus gesehen, wird durch folgende Formel bestimmt:
[math]\displaystyle{ Z_{tr} = \frac {U_{20}\, ^2}{P_r} \times \frac{U_k}{100}\ , }[/math]
wobei gilt:
U20 = Sekundärspannung zwischen den Außenleitern ohne Last in V
Pr = Bemessungsleistung des Transformators in kVA
uk = Spannung der Kurzschlussimpedanz des Transformators in %
Der Widerstand der Transformatorwicklungen Rtr kann von den Gesamtverlusten wie folgt abgeleitet werden:
[math]\displaystyle{ P_{cu}= 3Ie^2 \times R_{tr} }[/math], so dass
[math]\displaystyle{ R_{tr}=\frac{P_{cu} \times 10^3}{3Ie^2} }[/math] in mΩ
wobei gilt:
Pcu = Gesamtverlust in W
Ie = Bemessungsbetriebsstrom in A
Rtr = Widerstand einer Transformatorphase in mΩ (die NS- und die entsprechende HS-Wicklung für eine NS-Phase sind in diesem Widerstandswert enthalten).
[math]\displaystyle{ X_{tr}=\sqrt {Z_{tr}^{2} - R_{tr}^{2}} }[/math]
Für eine annähernde Berechnung kann Rtr vernachlässigt werden, da in Standard-Verteiltransformatoren X ≈ Z gilt.
Leistungsschalter
In NS-Stromkreisen muss die Impedanz der dem Fehlerort vorgeschalteten Leistungsschalter berücksichtigt werden. Der im Allgemeinen angenommene Blindwiderstandswert beträgt 0,15 mΩ pro Leistungsschalter, während der Widerstand vernachlässigt wird.
Sammelschienen
Der Widerstand von Sammelschienen ist im Allgemeinen vernachlässigbar, so dass die Impedanz praktisch vollständig reaktiv ist und ca. 0,15 mΩ/m[3] für Sammelschienen in Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen beträgt (eine Verdopplung des Abstandes zwischen den Schienen erhöht den Blindwiderstand nur um ca. 10 %).
Bemessungsleistung (kVA) | Öltransformatoren Kurzschlussverluste Reihe Bk | Gießharz-Transformatoren Kurzschlussverluste Reihe Bk | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Uk (%) | Rtr (mΩ) | Xtr(mΩ) | Ztr (mΩ) | Uk (%) | Rtr (mΩ) | Xtr(mΩ) | Ztr (mΩ) | |
100 | 4 | 23,6 | 59,5 | 64,0 | 6 | 32,0 | 90,5 | 96,0 |
160 | 4 | 12,5 | 38,0 | 40,0 | 6 | 16,9 | 57,6 | 60,0 |
250 | 4 | 7 | 24,6 | 25,6 | 6 | 9,7 | 37,15 | 38,4 |
315 | 4 | 5,2 | 19,6 | 20,3 | 6 | - | - | - |
400 | 4 | 3,8 | 15,5 | 16,0 | 6 | 4,9 | 23,49 | 24,0 |
500 | 4 | 3 | 12,5 | 12,8 | 6 | - | - | - |
630 | 4 | 2,2 | 9,9 | 10,2 | 6 | 2,94 | 14,95 | 15,24 |
800 | 6 | 1,75 | 11,9 | 12 | 6 | 2,25 | 11,79 | 12,0 |
1000 | 6 | 1,44 | 9,5 | 9,6 | 6 | 1,6 | 9,47 | 9,6 |
1250 | 6 | 1,13 | 7,6 | 7,7 | 6 | 1,23 | 7,58 | 7,68 |
1600 | 6 | 0,9 | 5,9 | 6 | 6 | 0,91 | 5,93 | 6,0 |
2000 | 6 | 0,72 | 4,75 | 4,8 | 6 | 0,72 | 4,75 | 4,8 |
2500 | 6 | 0,56 | 3,8 | 3,84 | 6 | 0,54 | 3,8 | 3,84 |
3150 | - | - | - | - | 6 | 0,42 | 3,02 | 3,05 |
Stromkreisleiter
Der Widerstand eines Leiters wird durch folgende Formel bestimmt:
[math]\displaystyle{ R_L=\rho_0 \frac{L}{S}\ , }[/math]
wobei gilt:
ρ0 = spezifischer Widerstand des Leiterwerkstoffs bei 20°C im ungestörten Betrieb. (nach IEC 60364-5-52 (VDE 0100-520) wird als spezifischer elektrischer Widerstand der 1,25 fache Wert des spezifischen elektrischen Widerstandes bei 20°C genommen):
- 22,5 mΩ x mm2/m für Kupfer (Cu)
- 36 mΩ x mm2/m für Aluminium (Al)
L = Leitungslänge in m
S = Leiterquerschnitt in mm2
Blindwiderstandswerte für Kabel und Leitungen sind beim Hersteller erhältlich. Bei Querschnitten, die unter 50 mm2 liegen, kann der Blindwiderstand vernachlässigt werden. Fehlen weitere Informationen, kann ein Wert von 0,08 mΩ/m (für 50 Hz-Systeme) oder 0,096 mΩ/m (für 60 Hz-Systeme) verwendet werden. Für Schienenverteilersysteme und vorkonfektionierte Kabelführungssysteme wenden Sie sich bitte an den Hersteller.
Motoren
Im Moment eines Kurzschlusses funktioniert ein laufender Motor (kurzzeitig) wie ein speisender Generator.
Im Allgemeinen kann dieser Fehlerstrom ignoriert werden. Für eine genauere Berechnung kann dennoch, besonders in Fällen von großen Motoren und/oder vielen kleineren Motoren, der Gesamtstromwert mit Hilfe folgender Formel geschätzt werden:
Ikm = 3,5Ie jedes Motors, d. h. 3,5mIe: für m ähnliche gleichzeitig laufende Motoren.
Betroffen sind nur dreiphasige Motoren, da die Speisung durch einphasige Motoren vernachlässigbar ist.
Störlichtbogenwiderstand
Kurzschlüsse bilden im Allgemeinen einen Lichtbogen, der widerstandsbehaftet ist. Der Widerstand ist nicht dauerhaft und sein Durchschnittswert ist niedrig, aber bei niedriger Spannung reicht dieser Widerstand aus, um den Fehlerstrom zu reduzieren. Erfahrungsgemäß ist eine Reduzierung von ca. 20 % zu erwarten. Dieses Phänomen unterstützt beträchtlich das Beherrschen der Abschaltströme, jedoch nicht die Einschaltströme durch den Leistungsschalter.
Übersichtstabelle
(siehe Abb. G35)
Teile des Versorgungssystems | R (mΩ) | X (mΩ) | |
---|---|---|---|
Versorgungsnetz Abbildung G33 | [math]\displaystyle{ \frac {R_Q}{X_Q} = 0,1 }[/math] | XQ= 0,995 Z Q ;
[math]\displaystyle{ Z_Q = \frac{ U_{20}\, ^2\times C_{MS} }{P_k} }[/math] | |
Transformator Abbildung G34 |
[math]\displaystyle{ R_{tr}= \frac{P_{cu}\times 10 ^ 3}{3 I^2 _n} }[/math] |
[math]\displaystyle{ \sqrt {Z_{tr}^2 - R_{tr}^2} }[/math] mit [math]\displaystyle{ Z_{tr} = \frac {U_{20}\, ^2}{P_r}\times \frac{U_k}{100} }[/math] | |
Leistungsschalter | Vernachlässigbar | Vernachlässigbar | |
Sammelschienen | Vernachlässigbar für S > 200 mm2 in der Formel: [math]\displaystyle{ R_B = \rho \frac{L}{S} }[/math][a] |
XB = 0,15 mΩ/m | |
Stromkreisleiter[b] | [math]\displaystyle{ R_L = \rho \frac{L}{S} }[/math][a] | Kabel: XL = 0,08 mΩ/m | |
Motoren | Siehe Abschnitt 4.2 Motoren (häufig vernachlässigbar bei NS) | ||
Dreiphasiger Kurzschlussstrom in kA | [math]\displaystyle{ I_K= \frac{U_{20} }{\sqrt 3 \sqrt{ R_T\, ^2 + X_T}\, ^2} }[/math] |
- U20: Sekundärspannung zwischen den Außenleitern des Verteiltransformators ohne Last (in V)
- Pk: dreiphasige Kurzschlussleistung an den MS-Klemmen des Verteiltransformators (in MVA)
- Pcu: Kurzschlussverluste des Verteiltransformators (in W)
- Pr: Bemessungsleistung des Verteiltransformators (in kVA)
- uk: Spannung der Kurzschlussimpedanz des Verteiltransformators (in %)
- RT: Gesamtwiderstand
- XT: Gesamtblindwiderstand
- CMS: Spannungsfaktor zur Berechnung der Quellenimpedanz
- CNS: Spannungsfaktor zur Berechnung der Kurzschlussströme
Beispiel für Kurzschlussstromberechnungen
(siehe Abb. G36)