Kapitel F

Schutz gegen elektrischen Schlag und elektrische Brände


IT- Weitere Aspekte zum Schutz gegen indirektes Berühren

Aus Planungskompendium Energieverteilung
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Auftreten eines ersten Fehlers

Im IT-System soll der erste Fehler gegenüber Erde nicht zu einer Abschaltung führen.

Der Fehlerstrom bei Auftreten nur eines Körper- oder Erdschlusses ist niedrig und eine Abschaltung nicht gefordert, wenn die Bedingung Id x RA ≤ 50 V (s. Abschnitt „Schutzmaßnahme Automatische Abschaltung in TT-Systemen") erfüllt ist und keine gefährlichen Fehlerspannungen auftreten können. Unter diesen Bedingungen ist der Strom Id so klein, dass er weder für das Personal noch für die Anlage eine Gefahr darstellt.

Es müssen jedoch Maßnahmen getroffen werden, um bei Auftreten eines zweiten Fehlers das Risiko gefährlicher physiologischer Einwirkungen auf Personen, die in Verbindung mit gleichzeitig berührbaren leitfähigen Teilen stehen, zu vermeiden.

Dennoch erfordert dieses System:

  • eine Einrichtung zur kontinuierlichen Überwachung des Isolationswiderstandes gegen Erde gem. IEC 60364-4-41 (VDE 0100-410). Sie muss bei Auftreten eines ersten Fehlers eine Meldung (akustisch und/oder visuell usw.) auslösen (siehe Abb. F33),
  • zwingend die schnelle Beseitigung eines ersten Fehlers, damit die Vorteile des IT-Systems vollständig genutzt werden können. Die Betriebskontinuität ist der Hauptvorteil des IT-Systems.
Abb. F33 – Isolationsüberwachungs-einrichtung zwischen Außenleiter und Erde: im IT-System vorgeschrieben

In einem System, in dem neue Kabel/Leitungen/Leiter verwendet werden, ergibt sich z. B. bei einer Länge von 1 km ein Ableitstrom (kapazitiv) gegen Erde von ca. 3500 Ω pro aktiven Außenleiter. Im Normalbetrieb beträgt der kapazitive Strom[1] zur Erde daher:

[math]\displaystyle{ \frac{U_o}{Z_f}= \frac{230}{3500}=66\ mA }[/math] pro Außenleiter.

Während eines Fehlers zwischen Außenleiter und Schutzleiter/Erde (s. Abb. F34) entspricht der Strom durch den Widerstand des Erdungsanschlusses RnA der Vektorsumme der kapazitiven Ströme in den fehlerfreien Außenleitern. Die Spannungen der fehlerfreien Außenleiter haben sich (aufgrund des Fehlers) auf die verkettete Spannung ([math]\displaystyle{ \sqrt 3 }[/math] der normalen Spannung gegen Erde) erhöht, so dass sich die kapazitiven Ströme um denselben Wert erhöhen. Diese Ströme sind um 60° verschoben, so dass deren Vektorsumme (in diesem Beispiel) einen Wert von:

3 x 66 mA = 198 mA ergibt.

Die Berührungsspannung UB entspricht daher 198 x 5 x 10-3 = 0,99 V und ist somit ungefährlich.

Der durch den Körperschluss/Erdschluss verursachte Strom entspricht der Vektorsumme des Stromes Id1 (=153 mA) und des kapazitiven Stromes Id2(198 mA).

Da die berührbaren leitfähigen Teile der Anlage über Schutzleiter direkt geerdet sind, spielt die Impedanz Zct bei der Erzeugung von Berührungsspannungen gegen Erde praktisch keine Rolle.

Abb. F34 – Weg des Fehlerstromes bei einem ersten Fehler im IT-System

Auftreten eines zweiten Fehlers

Das gleichzeitige Auftreten zweier Körperschlüsse/Erdschlüsse (an unterschiedlichen aktiven Leitern) ist gefährlich und die schnelle Abschaltung der Stromversorgung durch Sicherungen oder Leistungsschalter hängt von der Verbindung der Körper mit Erde (einzeln, in Gruppen oder gemeinsame Erdung) ab.

Tritt ein zweiter Fehler in einem anderen Außenleiter oder in einem Neutralleiter auf, ist eine Abschaltung der Stromversorgung innerhalb der festgelegten Zeiten zwingend notwendig. Die Fehlerbeseitigung wird in den folgenden Fällen unterschiedlich durchgeführt:

Abb. F35 – Anwendung von Schaltgeräten mit Fehlerstromschutz, wenn die berührbaren leitfähigen Teile im IT-Netz einzeln oder gruppenweise geerdet sind

Tritt ein zweiter Fehler innerhalb einer Gruppe mit gemeinsamem Erdungsanschluss auf, löst die Überstromschutzeinrichtung, wie zuvor für den 1. Fall beschrieben, aus.

Hinweis 1: Siehe auch Kapitel G, Schutz des Neutralleiters.

Hinweis 2: In dreiphasigen Vierleiteranlagen wird der Überstromschutz im Neutralleiter manchmal durch Verwendung eines Ringstromwandlers über dem einadrigen Neutralleiter sichergestellt (siehe Abb. F35).

1. Fall

Betrifft eine Anlage, in der alle Körper gemeinsam mit einem geerdeten Schutzleiter (PE-Leiter) verbunden sind (siehe Abbildung F34).

In diesem Fall führt der Weg des Fehlerstromes nicht über die Erde, so dass ein relativ hoher Fehlerstrom auftritt und herkömmliche Überstromschutzeinrichtungen verwendet werden können, d. h. Leistungsschalter, Leitungsschutzschalter und Sicherungen.

Der erste Fehler könnte an einem Stromkreisende in einem entfernten Anlagenteil auftreten, während der zweite Fehler am entgegengesetzten Anlagenteil auftreten könnte.

Aus diesem Grund wird zur Berechnung des zu erwartenden Fehlerstromes die ermittelte Schleifenimpedanz eines Stromkreises verdoppelt.

Enthält das System zusätzlich zu den 3 Außenleitern einen Neutralleiter, treten niedrigere Kurzschluss-/Fehlerströme auf, wenn einer der (zwei) Fehler zwischen dem Neutralleiter und Erde auftritt (alle vier Leiter sind in einem IT-System von Erde isoliert). In Vierleiter-IT-Systemen muss daher die Spannung zwischen Außenleiter und Neutralleiter zur Berechnung der Kurzschlussströme verwendet werden, d.h. [math]\displaystyle{ 0,8\frac{U_o}{2Z_s}\ge I_a }[/math][2]

wobei gilt:

Uo = Nennwechselspannung zwischen Außenleiter und Neutralleiter
ZS = Impedanz der Fehlerstromschleife (siehe Kapitel F, Beispiel)
Ia = Auslösestromwert

Bei nichtverteiltem Neutralleiter ist die zur Fehlerstromberechnung zu verwendende Spannung die Spannung zwischen den Außenleitern, d.h. [math]\displaystyle{ 0,8\frac{\sqrt{3}U_o}{2Z_s}\ge I_a }[/math][2]

wobei gilt:

Uo = Nennwechselspannung zwischen Außenleiter und Neutralleiter
ZS = Impedanz der Fehlerstromschleife (siehe Kapitel F, Beispiel)
Ia = Auslösestromwert

2. Fall

  • Betrifft Körper, die entweder einzeln (jedes Teil hat seinen eigenen Erdungsanschluss) oder gruppenweise (jede Gruppe hat einen Erdungsanschluss) geerdet sind.

Sind nicht alle Körper mit einem gemeinsam geerdeten Schutzleiter verbunden, kann der zweite Körperschluss/Erdschluss möglicherweise in einer anderen Gruppe oder einem separat geerdeten einzelnen Betriebsmittel auftreten. Es ist, verglichen mit dem 1. Fall, ein zusätzlicher Schutz notwendig. Dieser wird durch ein Fehlerstromschutzgerät sichergestellt, das sich jeweils an dem Leistungsschalter befindet, der jede Gruppe oder jedes separat geerdete Gerät absichert.

Der Grund für diesen zusätzlichen Schutz ist, dass die Erdungsanschlüsse der separaten Gruppen durch die Erde „verbunden” sind, so dass der Außenleiterschlussstrom beim Durchfluss durch die Erdverbindung durch die Erdungsanschlusswiderstände im Allgemeinen begrenzt wird, wodurch ein zuverlässiger Schutz durch Überstromschutzgeräte nicht mehr gewährleistet ist. Daher sind die empfindlicheren Schaltgeräte mit Fehlerstromschutz erforderlich, wobei deren Betriebsstrom den bei einem ersten Fehler auftretenden Strom überschreiten muss (siehe Abb. F36).

Abb. F36 – Zusammenhang zwischen Ableitkapazität und Strom beim ersten Fehler
Ableitkapazität (μF) Erster Fehlerstrom (A)
1 0,07
5 0,36
30 2,17
  • Hinweis: 1 μF ist die typische Ableitkapazität für ein 4-Leiter-Kabel mit einer Länge von 1 km.

Maximale Stromkreislänge

Das Prinzip ist für ein IT-System das gleiche wie für ein TN-System beschrieben: die Berechnung maximaler Stromkreislängen, die hinter einem Leistungsschalter oder Sicherungen nicht überschritten werden sollten, um den Schutz durch Überstromschutzeinrichtungen zu gewährleisten.

Es ist eindeutig unmöglich, Schaltungslängen für jede mögliche Kombination von zwei gleichzeitigen Fehlern zu überprüfen.

Alle Fälle sind jedoch abgedeckt, wenn die Einstellung der Überstromauslösung auf der Annahme basiert, dass ein erster Fehler am entfernten Ende des betreffenden Stromkreises auftritt, während der zweite Fehler wie bereits erwähnt am entfernten Ende eines identischen Stromkreises auftritt. Dies kann im Allgemeinen dazu führen, dass nur eine Schutzeinrichtung auslöst (auf dem Stromkreis mit dem niedrigeren Einstellwert für die Auslösung), wodurch das System in einer Erstfehlersituation verbleibt, aber ein fehlerhafter Stromkreis abgeschaltet wird.

Abb. F37 – Berechnung von Lmax. für ein IT-geerdetes System, das den Fehlerstrompfad für einen Doppelfehlerzustand zeigt
  • Bei einer 3-phasigen 3-Leiter-Installation kann der zweite Fehler nur einen Phase/Phase-Kurzschluss verursachen, so dass die Spannung in der Formel für die maximale Stromkreislänge zu verwenden ist [math]\displaystyle{ \sqrt3 U_0 }[/math].
Die maximale Stromkreislänge ist gegeben durch:

[math]\displaystyle{ Lmax=\frac{0.8\,\ U_0\,\sqrt{3}\,S_{ph}}{2\rho\,I_a\left ( 1+m \right )} }[/math] Meter

  • Bei einer 3-phasigen 4-Leiter-Installation tritt der niedrigste Wert des Fehlerstroms auf, wenn einer der Fehler auf einem Neutralleiter liegt. In diesem Fall ist, U0 der Wert, der zur Berechnung der maximalen Kabellänge verwendet wird, und

[math]\displaystyle{ Lmax=\frac{0.8\,U_0\,S_1}{2\,\rho\,I_a\left ( 1+m \right )} }[/math] Meter

d.h. nur 50 % der für ein TN-System zulässigen Länge[1]

In den vorangegangenen Formeln:

Lmax = maximale Stromkreislänge in Meter
U0 = Bemessungsspannung zwischen Außenleiter und Neutralleiter
ρ = Leiterwiderstand bei Normaltemperatur in Ohm-mm²/m (22,5 x 10³ Ω-mm²/m für Kupfer, 36 x 10³ Ω-mm²/m für Aluminium)
Ia = Auslösestrom für eine unverzögerte Leistungsschalterauslösung in Ampere oder:
Ia = Auslösestrom der betreffenden Schutzsicherung (für eine Auslösung innerhalb der festgelegten Zeit)
m = Sph / SPE
Sph = Querschnitt der Außenleiter in mm² des betreffenden Stromkreises
SPE = Querschnitt des Schutzleiters in mm² des betreffenden Stromkreises
S1 = Querschnitt des Neutralleiters in mm² wenn im Stromkreis mitgeführt
S1 = Querschnitt der Außenleiter in mm² wenn im Stromkreises kein N-Leiter vorhanden

Anmerkung

  1. ^ 1 2 Der Ohmsche Fehlerstrom gegen Erde durch die nicht unendlich hochohmige Isolierung der Leiter wird in diesem Beispiel als vernachlässigbar betrachtet.
  2. ^ 1 2 Auf Grundlage der „konventionellen Methode”, die im ersten Beispiel im Abschnitt Konventionelle Methode
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