Kapitel F

Schutz gegen elektrischen Schlag und elektrische Brände


Schutzvorkehrungen zum Schutz gegen elektrischen Schlag

Aus Planungskompendium Energieverteilung
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Basisschutzvorkehrungen zum Schutz gegen direktes Berühren

  • Im Allgemeinen besteht der Schutz gegen direktes Berühren aus einem physikalischen Schutz durch Abdeckungen oder Isolierung von aktiven Teilen.
In besonderen Bereichen (z.B. elektrische und abgeschlossene elektrische Betriebsstätten) reicht ein teilweiser Schutz, wie Schutz durch Hindernisse oder Schutz durch Abstand usw. aus.
  • In besonderen Fällen (z.B. in Bereichen erhöhter elektrischer Gefährdung) kann ein zusätzlicher Schutz bei direktem Berühren gefordert sein, um bei eventuellen Fehlern bei den Schutzmaßnahmen noch eine Schutzwirkung zu haben. Dieser Schutz basiert auf hochempfindlichen Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) mit einem Bemessungsdifferenzstrom nicht größer als 30 mA. Aufgrund der sehr kurzen Ausschaltzeit wird in den meisten Fällen ein Schutz auch bei direktem Berühren aktiver Teile gewährleistet.


Schutz durch Isolierung aktiver Teile

In den Normen wird zwischen zwei Arten von Schutzmaßnahmen unterschieden:

  • vollständiger Schutz (Isolation, Abdeckung)
  • teilweiser Schutz.

Dieser Schutz besteht aus einer Isolierung gemäß den entsprechenden Produktnormen (siehe Abb. F4).

Farbanstriche und Lacke gewährleisten keinen ausreichenden Schutz.

Abb. F4 – Schutz gegen direktes Berühren durch die Aderisolierung eines 3-phasigen Kabels

Schutz durch Abdeckungen oder Umhüllungen

Diese Maßnahme ist weit verbreitet, denn viele Betriebsmittel werden in Schaltschränke, Steuerkonsolen und Verteiler eingebaut (siehe Abb. F5).

Damit ein wirksamer Schutz gegen direktes Berühren gewährleistet ist, müssen diese Abdeckungen oder Umhüllungen mindestens der Schutzart IP 2X oder IP XXB entsprechen (gem. IEC 61439-1 (VDE 0660-600-1)), siehe Kapitel E, Abschnitt Schutz von Betriebsmitteln durch Gehäuse: IP- und IK-Codes

Abb. F5 – Beispiel: Isolation durch Gehäuse

Wenn es notwendig ist, Schutzabdeckungen abzunehmen, Umhüllungen zu öffnen oder Teile davon zu entfernen (Türen, Klappen, Deckel, Verkleidungen u.ä.), muss eine der folgenden Bedingungen eingehalten werden:

  • Das Abnehmen, Öffnen und Entfernen ist nur unter Verwendung eines Schlüssels oder Werkzeuges möglich.
  • Alle aktiven Teile, die nach dem Öffnen der Tür zufällig berührbar sind, müssen elektrisch getrennt sein, bevor sich die Tür öffnen lässt oder sind mit einer zusätzlichen Berührungsschutzabdeckung zu versehen. In TN-C-Systemen darf der PEN-Leiter nicht getrennt oder geschaltet werden. In TN-S-Systemen braucht der Neutralleiter nicht getrennt oder geschaltet werden.

Teilweiser Schutz gegen direktes Berühren

  • Schutz durch Hindernisse oder Abstand
Dieser Schutz ist ausschließlich für Betriebsstätten vorgesehen, zu denen nur Elektrofachkräfte oder unterwiesene Personen Zugang haben. Weitere Details über diese Maßnahme finden Sie in IEC 60364-4-41 (VDE 0100-410).

Sonstige Schutzmaßnahmen

  • Schutz durch Kleinspannung SELV und PELV (Safety Extra-Low Voltage = SELV; Protective Extra-Low Voltage = PELV) oder Schutz durch Begrenzung der Entladeenergie.
Diese Maßnahmen werden nur in Stromkreisen mit niedriger Leistung und unter besonderen Bedingungen verwendet (siehe Abschnitt Schutz sowohl gegen direktes als auch bei indirektem Berühren (ohne automatische Abschaltung der Stromversorgung) Schutz durch SELV oder PELV))).

Fehlerschutzvorkehrungen zum Schutz bei indirektem Berühren

Schutzmaßnahmen:

  • automatische Abschaltung der Stromversorgung (beim ersten oder zweiten Fehler, je nach Art des Netzsystems),
  • sonstige zusätzliche Maßnahmen (entsprechend den Umgebungsbedingungen)

Die Körper elektrischer Betriebsmittel sind von den aktiven Teilen der Anlagen durch eine „Basisisolierung” getrennt. Ein Fehler der Basisisolierung führt dazu, dass an den Körpern der elektrischen Betriebsmittel eine gefährliche Berührungsspannung anstehen kann.

Das Berühren eines normalerweise nicht stromführenden leitfähigen Teils einer elektrischen Anlage oder eines Betriebsmittels, an dem aufgrund eines Isolationsfehlers eine Berührungsspannung ansteht, bezeichnet man als indirektes Berühren.

Die verschiedenen Maßnahmen für den Schutz bei indirektem Berühren sind u.a.:

  • Automatische Abschaltung der Stromversorgung für die angeschlossenen elektrischen Anlagen und Betriebsmittel.
  • Spezielle Anordnungen wie z.B.:
    • Verwendung von Betriebsmitteln der Schutzklasse II oder mit gleichwertiger Isolierung,
    • Schutz durch nichtleitende Räume,
    • Schutz durch einen ungeerdeten örtlichen Potentialausgleich,
    • Schutztrennung, Schutztrenntransformatoren.

Prinzip

Der Schutz bei indirektem Berühren durch automatische Abschaltung der Stromversorgung ist gewährleistet, wenn die Körper elektrischer Betriebsmittel mit einem niederohmigen Schutzleiter verbunden sind.

Diese Schutzmaßnahme erfordert die Koordination zwischen dem Netzsystem und den Eigenschaften der Schutzleiter und Schutzeinrichtungen. Die Anforderungen für diese Schutzmaßnahme und die Abschaltzeiten werden unter Berücksichtigung von IEC 60479-1 (VDE V 0140-479-1) festgelegt. Daher müssen die Körper unter den für jedes Netzsystem festgelegten Bedingungen an einen Schutzleiter angeschlossen werden. (Gleichzeitig berührbare Körper müssen an demselben Schutzleiter/Erdungssystem angeschlossen werden.) Außerdem müssen in jedem Gebäude der Hauptschutzleiter, der Haupterdungsleiter, die Haupterdungsklemme oder -schiene und die folgenden fremden, leitfähigen Teile zu einem Hauptpotentialausgleich verbunden werden:

  • metallene Rohrleitungen von Versorgungssystemen innerhalb des Gebäudes, z.B. für Gas, für Wasser,
  • Metallteile der Gebäudekonstruktionen, Zentralheizungs- und Klimaanlagen,
  • wesentliche metallene Verstärkung von Gebäudekonstruktionen aus bewehrtem Beton, soweit möglich.
Datei:DB431001.svg
Abb. F6 – Illustration of the dangerous touch voltage Ub

Je größer der Wert von UB[1] ist, desto schneller muss die Versorgungsspannung zur Gewährleistung des Schutzes abgeschaltet werden (siehe Abb. F8). Der höchste dauernd zulässige Wert von UB beträgt 50 V AC bzw. 120 V DC.

Erinnerung: max. zulässige Abschaltzeiten nach IEC 60364-4-41 (VDE 0100-410).

Abb. F8 – Maximale Abschaltzeiten (in s) entsprechend der System Spannungen
System 50 < Uo ≤ 120 120 < Uo ≤ 230 230 < Uo ≤ 400 Uo > 400
AC DC AC DC AC DC AC DC
TN 0,8 s s. Anm.1 0,4 s 1 s 0,2 s 0,4 s 0,1 s 0,1 s
TT 0,3 s s. Anm.1 0,2 s 0,4 s 0,07 s 0,2 s 0,04 s 0,1 s

Wenn in TT-Systemen die Abschaltung durch eine Überstrom-Schutzeinrichtung erreicht wird und alle fremden leitfähigen Teile in der Anlage an den Schutzpotentialausgleich über die Haupterdungsschiene angeschlossen sind, darf die auf TN-Systeme anwendbare Abschaltzeit verwendet werden.

Uo: Nennwechsel- oder Nenngleichspannung Außenleiter gegen Erde

Anmerkung 1: Eine Abschaltung kann aus anderen Gründen als dem Schutz gegen elektrischen Schlag verlangt sein.

Anmerkung

  1. ^ Die Berührungsspannung UB ist die vorhandene Spannung (als Folge eines Isolationsfehlers) zwischen einem berührbaren leitfähigen Teil und jedem beliebigen leitenden zugänglichen Teil mit anderem Potential (i. Allg. Erde).
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