Kapitel F

Schutz gegen elektrischen Schlag und elektrische Brände


Empfehlungen für die Auswahl von RCDs

Aus Planungskompendium Energieverteilung
Wechseln zu:Navigation, Suche

Dauerhafter Ableitstrom/Schutzleiterstrom

Nichtfehlerbedingte Ableitströme/Schutzleiterströme sowie kurzzeitige Überspannungen können zu einer unbeabsichtigten Auslösung der Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen führen. Es wurden einige Techniken entwickelt, um diese Probleme zu beheben.

In jeder NS-Anlage fließt ein dauerhafter Ableitstrom. Die Gründe sind:

  • entweder Ungleichgewicht[1] der Eigenkapazität zwischen den aktiven Leitern und Erde für dreiphasige Stromkreise
  • oder Kapazität zwischen den aktiven Leitern und Erde für einphasige Stromkreise.

Mit der Größe der Anlage steigt auch ihre Kapazität und folglich erhöht sich auch der Ableitstrom.

Der Schutzleiterstrom erhöht sich manchmal stark durch die Kombination aus Filterkondensatoren und elektronischen Geräten (Automatisierung, Informatik und computergestützte Systeme usw.).

Sind genauere Anlagendaten unbekannt, kann der dauerhafte Ableitstrom in einer gegebenen Anlage mit Hilfe folgender Werte (gemessen bei 230 V/50 Hz) geschätzt werden:

  • 1-phasiger oder 3-phasiger Stromkreis: 1,5 mA /100 m
  • Elektrische Fußbodenheizung: 1mA / kW
  • Fax-Terminal: 1 mA
  • IT-Workstation: 2 mA
  • IT-Terminal: 2 mA
  • Drucker: 1 mA
  • Fotokopierer: 1,5 mA

Da Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen normgemäß innerhalb eines Bereiches von 0,5I∆n - I∆n (bei Nenn-I∆n) betrieben werden können, darf der einer Fehlerstrom-Schutzeinrichtung nachgelagerte Ableitstrom 0,5I∆n nicht überschreiten.

Die Begrenzung des dauerhaften Ableitstromes auf 0,25I∆n durch die Unterteilung von Stromkreisen verhindert praktisch jedes unbeabsichtigte Auslösen.

In speziellen Fällen, wie z.B. bei der Erweiterung oder teilweisen Erneuerung von Anlagen mit IT-Systemen, wenden Sie sich bitte an den Hersteller.

Kurzzeitige Ableitströme

Einschalten

Das Zuschalten der zuvor erwähnten Kapazitäten verursacht hochfrequente, sehr kurzzeitige Ströme, ähnlich denen in Abb. F68.

Abb. F68 – Standardkennlinie für kurzzeitige 0,5 μs/100 kHz-Ableitströme

Das plötzliche Auftreten eines ersten Fehlers in einem IT-System hat, aufgrund des plötzlichen Anstiegs der zwei störungsfreien Spannungen zwischen den Außenleitern und zwischen Außenleiter und Erde, ebenso hochfrequente kurzzeitige Ableitströme zur Folge.

Allgemein auftretende Überspannungen

In elektrischen Versorgungsnetzen treten häufig Überspannungen auf, die verschiedene Gründe haben können: atmosphärische Einflüsse oder abrupte Änderungen der Systembetriebsbedingungen (Fehler, Sicherungsauslösung, Umschaltung usw.). Diese plötzlichen Änderungen führen häufig zu kurzzeitigen Spannungserhöhungen und einem Ansteigen der Ströme in den induktiven und kapazitiven Stromkreisen, bevor wieder ein stabiler Zustand eintritt. Aufzeichnungen haben ergeben, dass Überspannungen in NS-Systemen im Allgemeinen unter 6 kV liegen und dass sie durch die herkömmliche 1,2/50 µs-Impulswelle angemessen dargestellt werden können (siehe Abb. F69).

Abb. F69 – Standardkennlinie für kurzzeitige 1,2/50 μsÜberspannungen

Diese Überspannungen verursachen kurzzeitige Ströme, die durch eine herkömmliche 8/20 µs-Stromimpulswelle dargestellt werden. Diese Ströme erreichen einen Spitzenwert von mehreren Dutzend Ampere (siehe Abb. F70).

Abb. F70 – Standardkennlinie für 8/20 μs-Stromstöße

Die kurzzeitigen Ströme fließen durch die Kapazitäten der Überspannungsableiter der Anlage oder durch einen Isolationsfehler zur Erde.

Störfestigkeit gegen kurzzeitige Überspannungen und -ströme

Jede installierte Fehlerstrom-Schutzeinrichtung muss über eine Stoßstromfestigkeit zur Vermeidung unbeabsichtigter Auslösungen verfügen, die den Anforderungen in Abb. F71 entspricht. Schaltgeräte mit Fehlerstromschutz des Typs „S” oder mit Zeitverzögerungseinstellungen I oder II (s. Abb. F38) decken alle kurzzeitigen Ableitströme ab, einschließlich denen von Überspannungsableitern mit einer Dauer von unter 40 ms.

Störung Prüfverfahren Erforderliche Stoßspannung
Überspannung 1,2/50 μs (Stoßspannung) 6 kV Spitze
Kurzzeitiger Ableitstrom 0,5 μs/100 kHz (Stoßspannung) 200 A Spitze[a]
8/20 μs (Stoßspannung) 200 A Spitze
60 A Spitze für 10 mA-RCDs
5 kA Spitze für Typ „S” oder zeitverzögerte
Ausführung (s. Hinweis)
Schaltvorgänge Schnelle transiente elektrische Störgrößen IEC 61000-404 (VDE 0847-4-4) 4 kV
Statische Elektrizität Elektrostatische Entladung IEC 61000-4-2 (VDE 0847-4-2) 8 kV
Abgestrahlte Wellen Elektromagnetische Felder IEC 61000-4-3 (E VDE 087-4-3) 3V/m

[a]  Für Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen mit IΔn < 10 mA ist dieser Test nicht erforderlich (IEC 61008-1 (VDE 0664-10)).
Hinweis: Verzögerte Schaltgeräte mit Fehlerstromschutz werden normalerweise in der Nähe des Hausanschlusses von Anlagen installiert, wo die Stromstöße durch äußere Einflüsse am stärksten sind. Die Prüfung bei 5 kA Spitze spiegelt diese hohe Leistungsanforderung wider.

Abb. F71 – Prüfung der elektromagnetischen Festigkeit von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen

Die hochfrequenten kurzzeitigen Überspannungen und -ströme (s. vorherige Seite) oder Impulsspannungen sind zusammen mit anderen elektromagnetischen Störungsquellen (Schützspulen, Relais), elektrostatische Entladungen und abgestrahlte elektromagnetische Wellen (Radio, Zündanlagen usw.) ein Teil des stetig wachsenden EMV-Bereiches (elektromagnetische Verträglichkeit). Weitere Informationen finden Sie im Technischen Hefte Nr. 149 („Elektromagnetische Verträglichkeit“) der Firma Schneider Electric.

Es darf auf keinen Fall zu Funktionsstörungen von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen aufgrund von Auswirkungen elektromagnetischer Störungen kommen.

In der Praxis werden die Werte in Abbildung F71 in den Entwicklungs- und Herstellungsspezifikationen eingehalten.

Abb. F72 – In einigen Ländern verwendetes Standard-Symbol zur Anzeige der Festigkeit gegenüber Funktionsstörungen aufgrund von transienten Störgrößen.

Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen des Typs „A Si” vermeiden unbeabsichtigtes Auslösen im Fall von oberschwingungsbehafteten Netzen, Blitzschlag, hochfrequenten Strömen, Gleichstromkomponenten, kurzzeitigen Überströmen und niedrigen Betriebstemperaturen (-25°C).

Störfestigkeit bei Gleichstromkomponenten

(siehe Abb. F73)

Hilfsgleichstromversorgungen zur Steuerung und Anzeige von elektrischen und mechanischen Geräten sind gebräuchlich und einige Geräte beinhalten Gleichrichter (Dioden, Triacs, Thyristoren).

Abb. F73 – Gleichstrom

Bei einem dem Gleichrichter nachgelagerten Erdschluss kann der Fehlerstrom eine Gleichstromkomponente enthalten.

Das Risiko hängt vom Isolationspegel der Gleichstromkreise in einem System ab, daher muss jeder Fall einzeln betrachtet werden. Probleme dieser Art treten im Allgemeinen bei Industriegeräten auf.

Die IEC-Normen klassifizieren Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen entsprechend deren Funktionssicherheit bei vorhandenen Gleichstromkomponenten im Fehlerstrom.

  • Klasse AC: Auslösung nur bei Wechselströmen (in Deutschland nicht zugelassen)
  • Klasse A: Auslösung, wenn der Fehlerstrom unidirektionale Stöße enthält
  • Klasse B: Auslösung bei Gleichströmen

Empfehlungen zur Installation von Schaltgeräten mit Fehlerstromschutz mit separaten Ringstromwandlern

Die Fehlerstromerfassung erfolgt durch einen geschlossenen Magnetkreis (üblicherweise kreisförmig) mit sehr hoher magnetischer Durchlässigkeit, auf den eine Drahtspule gewickelt ist. Das Ganze bildet einen Ringstromwandler.

Aufgrund seiner hohen Durchlässigkeit ist die Auswirkung jeder kleinsten Symmetrieabweichung der den Ringkern umschließenden Leiter und die Nähe von eisenhaltigen Werkstoffen (Stahlgehäuse, Trägerbauteile usw.) auf das Gleichgewicht der magnetischen Kräfte während großer Lastströme (Motoranlaufstrom, Stromstöße bei Einschalten eines Transformators usw.) groß genug, um zu einer unbeabsichtigten Auslösung des Schaltgerätes mit Fehlerstromschutz zu führen.

Sofern nicht spezielle Maßnahmen getroffen werden, liegt der Quotient des Betriebsstromes I∆n zum maximalen Außenleiterstrom Iph (max.) i. Allg. unter 1/1000.

Dieser Grenzwert kann durch die in Abb. F74 dargestellten und in Abb. F75 zusammengefassten Maßnahmen wesentlich erhöht werden (d.h. die Empfindlichkeit kann verringert werden).

L = 2 x der Durchmesser des Ringkerns
Abb. F74 – Drei Maßnahmen zur Verringerung des Quotienten IΔn / Iph (max.)
Maßnahmen Durchmesser (mm) Verringerungsfaktor der Empfindlichkeit
Sorgfältige Leitungsdurchführung durch den Ringkern 3
Überdimensionierung des Ringkerns ø 50 → ø 100 2
ø 80 → ø 200 2
ø 120 → ø 200 6

Einsatz einer Abschirmung aus Stahl oder Weicheisen

  • Wanddicke: 0,5 mm
  • Länge: 2 x der Innendurchmesser des Ringkerns
  • vollständige Umschließung der Leiter und gleichmäßige Abdeckung des Kerns an beiden Enden
ø 50 4
ø 80 3
ø 120 3
ø 200 2

Diese Maßnahmen können kombiniert werden. Durch die sorgfältige Leitungsdurchführung durch einen Ringkern mit einem Durchmesser von 200 mm wäre ein 50 mm-Kern groß genug, und bei Verwendung einer Abschirmung würde sich der Quotient von 1/1000 auf 1/30000 erhöhen.

Abb. F75 – Maßnahmen zur Verringerung des Quotienten IΔn / Iph (max.)

Wahl der Kenndaten eines Fehlerstrom-/Differenzstrom-Schutzschalters ohne eingebauten Überstromschutz (RCCB) – IEC 61008-1 (VDE 0664-10)

Bemessungsstrom

Der Bemessungsstrom eines Fehlerstrom-/Differenzstrom-Schutzschalters wird entsprechend dem maximalen Laststrom ausgewählt, der durch den Schalter fließen wird.

  • Ist der Fehlerstrom-/Differenzstrom-Schutzschalter in Reihe mit einem Leistungsschalter geschaltet und diesem nachgeschaltet, ist der Bemessungsstrom beider Geräte identisch, d.h. In ≥ In1[2] (s. Abb. F76a).
  • Ist der Fehlerstrom-/Differenzstrom-Schutzschalter einer Stromkreisgruppe vorgeschaltet, die durch Leistungsschalter geschützt wird (s. Abb. F76b), wird der Bemessungsstrom des Fehlerstrom-/Differenzstrom-Schutzschalters mit folgender Formel bestimmt:

In ≥ ku x ks (In1 + In2 + In3 + In4)

Abb. F76 – Fehlerstrom-/Differenzstrom-Schutzschalter (RCCBs)

Erforderliche elektrodynamische Festigkeit

Der Kurzschlussschutz muss durch eine vorgeschaltete Kurzschlussschutzeinrichtung (Short-Circuit Protective Device = SCPD) gewährleistet sein. Befindet sich der Fehlerstrom-/Differenzstrom-Schutzschalter jedoch im gleichen Verteilungssystem (gemäß den entsprechenden Normen) wie der nachgeschaltete Leistungsschalter (oder Sicherungen), ist der Kurzschlussschutz durch diese (Endstromkreis-) Kurzschlussschutzgeräte eine angemessene Alternative.

Eine einwandfreie Kombination der Fehlerstrom-/Differenzstrom-Schutzschalter und der Kurzschluss-Schutzeinrichtungen ist erforderlich. Im Allgemeinen liefern die Hersteller Kombinationstabellen für Fehlerstrom-/Differenzstrom-Schutzschalter und Leistungsschalter oder Sicherungen (siehe Abb. F77).

Kombination Leistungsschalter und RCCB – max. Ik-Wert (eff) in kA
Leistungsschalter vorgeschaltet iC60N iC60H iC60L C120N C120H NG125N NG125H

RCCB nachgeschaltet

2P I 20A 6,5 6,5 6,5 3 4,5 4,5 4,5
230V IN-A 40A 20 30 30 10 10 15 15
IN-A 63A 20 30 30 10 10 15 15
I 100A 15 15 15 15
4P I 20A 4,5 4,5 4,5 2 3 3 3
400V IN-A 40A 10 15 15 7 7 15 15
IN-A 63A 10 15 15 7 7 15 15
NG 125NA 10 16 25 50
Kombination Sicherungen und RCCB – max. Ik-Wert (eff) in kA
gG-Sicherung vorgeschaltet 20A 63A 100A 125A

RCCB nachgeschaltet

2P I 20A 8
230V IN-A 40A 30 20
IN-A 63A 30 20
I 100A 6
4P I 20A 8
400V IN-A 40A 30 20
IN-A 63A 30 20
NG 125NA 50
Abb. F77 – Typische herstellerseitig gelieferte Kombinationstabelle für RCCB, Leistungsschalter und Sicherungen (Geräte von Schneider Electric)

Anmerkung

  1. ^ In 3-phasigen Systemen würde der kapazitive Ableitstrom Null betragen, wenn die Leiter aller drei Außenleiter eine identische Kapazität gegen Erde hätten. Diese Bedingung ist in der Praxis jedoch nicht realisierbar.
  2. ^ Einige nationale Normen beinhalten eine thermische Festigkeitsprüfung mit einem Strom, der höher ist als In, um eine einwandfreie Kombination der Schutzgeräte sicherzustellen.
Teilen