Kenndaten vom Versorgungsnetz des Netzbetreibers

Aus Planungskompendium Energieverteilung
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Die wichtigsten Kenngrößen eines Hoch-spannungsversorgungsnetzes sind:

  • die Nennspannung in kV,
  • die Kurzschlussleistung in MVA,
  • die Netzform.

Nennspannung und Isolationspegel

Die Nennspannung eines Systems, einer Anlage oder eines Betriebsmittels ist in der IEC 60038 (VDE 0175) definiert als „die Spannung, durch die ein System, eine Anla-ge oder ein Betriebsmittel gekennzeichnet ist und auf die bestimmte Betriebskenn-daten bezogen werden“. Eng verbunden mit der Nennspannung sind die beiden Begriffe der „Höchsten Spannung eines Netzes“ und der „Niedrigsten Spannung eines Netzes“. „Die höchste im Netz auftretende Spannung“, die sich auf die Steh-wechselspannungsfestigkeit bezieht und auf die die anderen Kenndaten von Anla-gen und Betriebsmitteln bezogen werden können.

Die „höchste Spannung eines Netzes“ ist in der IEC 60038 (VDE 0175) definiert als „der höchste Spannungswert, der unter normalen Betriebsbedingungen zu einem beliebigen Zeitpunkt an irgendeiner Stelle des Netzes auftritt. Ausgeschlossen sind transiente Spannungen, z.B. von Schaltvorgängen im Netz und zeitweilige Span-nungsschwankungen“.

Anmerkungen:

1- Die höchste Spannung für Anlagen und Betriebsmittel wird nur bei Nennspan-nungen über 1 kV angegeben. Es ist allgemein bekannt, dass bei bestimmten Nenn-spannungen aufgrund von spannungsabhängigen Kenndaten wie Kondensatorver-lusten, Magnetisierungsströmen von Transformatoren usw. ein normaler Betrieb bis zur Bemessungsbetriebsspannung des Gerätes nicht gewährleistet werden kann. Für solche Fälle ist in den IEC-Normen und VDE-Bestimmungen der Grenzwert spezifiziert, bis zu dem bei den Anlagen und Betriebsmitteln der Normalbetrieb ge-währleistet werden kann.

2- Bei Anlagen und Betriebsmitteln, die in Netzen mit Nennspannungen bis zu 1 kV betrieben werden, sollte ausschließlich die Nennspannung angegeben werden und zwar sowohl die Bemessungsbetriebs- als auch die Bemessungsisolationsspan-nung.

3- Die Definition für „höchste Spannung für Anlagen und Betriebsmittel“ der

IEC 60038 (VDE 0175) ist mit der Definition für „Bemessungsspannung“ in der

IEC 62271-1 (VDE 0671-1) identisch. Die IEC 62271-1 (VDE 0671-1) bezieht sich auf Hochspannungs-Schaltgeräte für Spannungen über 1 kV.

Die Werte in Abb. B1 (auf der nächsten Seite) sind der IEC 60038 (VDE 0175) ent-nommen. Es handelt sich um übliche Nennspannungen von HS-Energieverteilungs-netzen, die hier zusammen mit der „höchsten Spannung für Anlagen und Betriebs-mittel” genannt sind. Sofern keine weiteren Angaben vorhanden sind, handelt es sich hier im Allgemeinen um Drehstromnetze. Der Wert gibt die Spannung zwischen den Außenleitern an. Eingeklammerte Werte sind nur bedingt verwendbar. Wir raten von einer Verwendung dieser Werte bei neuen Versorgungssystemen ab.

Es wird empfohlen, dass in einem Land das Verhältnis zwischen zwei benachbarten Nennspannungen nicht kleiner als zwei sein sollte.

Um einen adäquaten Schutz der Anlagen und Betriebsmittel gegen Bemessungs-Kurzzeit-Stehwechselspannung und Bemessungs-Stehblitzstoßspannungen durch Blitzschlag oder Schaltvorgänge sowie gegen netzseitige Fehler usw. zu gewähr-leisten, müssen die HS-Anlagen und die eingebauten Betriebsmittel über einen entsprechenden Bemessungs-Isolationspegel verfügen.


Höchste Spannung
für Betriebsmittel Bemessungsspannung
Netz-Nennspannung
(кV) (кV)
3,6 [1] 3,3 [1] 3 [1]
7,2 [1] 6,6 [1] 6 [1]
12 11 10
- 17,5 (15)
24 22 20
36 [2] - 33 [2]
- 40,5 [2] 35 [2]

(1) Diese Werte sollten nicht für neue öffentliche Verteilnetze verwendet werden.

(2) Diese Netze sind grundsätzlich Dreileiternetze. Die angegebenen Werte sind Spannungen zwischen den Außenleitern. Die in Klammern angegebenen Werte sollten als nicht bevorzugte Werte angesehen werden.

Abb. B1: Drehstromnetze mit einer Nennspannung über 1 kV bis einschließlich 35 kV und zugehörige Betriebsmittel (2)

Hochspannungs-Schaltgeräte

Die „Bemessungs-Isolationspegel für die entsprechenden Bemessungsspannungen“ in Abb. B2 sind der IEC 62271-1 (VDE 0671-1) entnommen. Für die meisten Bemessungsspannungen stehen mehrere Bemessungs-Isolationspegel zur Verfü-gung, um den unterschiedlichen Eigenschaften und Anforderungen entsprechen zu können. Bei der Wahl der Bemessungs-Isolationspegel soll berücksichtigt werden, wie weit das Schaltgerät Überspannungen (durch Blitzschlag oder Schaltvorgänge(1) ausgesetzt ist. Ferner sind die Art der Sternpunkterdung (Netzsystem) und der Typ der Überspannungs-Begrenzungselemente zu berücksichtigen. (Weitere Hinweise und Empfehlungen hierzu entnehmen Sie bitte der IEC 60071 (VDE 0111)).

Die allgemeinen Werte in der Abbildung B2 gelten für Leiter gegen Erde, zwischen den Leitern sowie der offenen Trennstrecke.

Bemessungsspannung Ur (kV)(Effektivwert) Bemessungs-Kurzzeit-Stehwechselspannung Ud (kV (Effektivwert) Bemessungsspannung Stehblitzstoßspannung Up (kV)(Scheitelwert)
Leiter gegen Erde,zwischen den Leitern und über der offenen Schaltstrecke über der Trennstrecke
3,6 10 12 20 23
7,2 40 46 60 70 20 23
12 60 70 75 85 28 32
17,5 75 85 95 110 38 45
24 95 110 125 145 50 60
36 145 165 170 195 70 80
52 - - 250 290 95 110
72,5 - - 325 375 140 160

Anmerkung: Die Spannungswerte „über der Trennstrecke“ gelten nur für Schaltgeräte, bei denen der Abstand zwischen den offenen Kontakten so bemessen ist, dass er Sicherheitsanforderungen für Trennschalter entspricht.

Abb. B2: Bemessungs-Isolationspegel von Schaltgeräten für Bemessungsspannungen des Bereiches I, Serie I

(1) Grundsätzlich bedeutet dies, dass die geringeren Werte (Liste 1) im Allgemeinen für Schaltgeräte, angeschlossen an Kabelsystemen, und die höheren Werte einer Reihe (Liste 2) für Schaltgeräte, angeschlossen an Freileitungssystemen, gelten.

Für die in Abb. B2 aufgeführten Bemessungsspannungen sind keine Schaltüber-spannungen enthalten, weil diese im Gegensatz zu den Stehwechsel- und Stehblitz-stoßspannungen weniger schwerwiegende Auswirkungen haben.

Transformatoren

Abbildung B3 ist der IEC 60076-3 (VDE 0532-3) entnommen.

Für Liste 1 und Liste 2 gelten dieselben Auswahlkriterien wie in der Schaltgeräte-tabelle, d.h. maßgeblich ist die Blitzschlaghäufigkeit usw.

Andere Komponenten

Höchste Spannung für Betriebsmittel Um (kV)(Effektivwert) Bemessungs-Steh-Blitzstoßspannung(kV) Scheitelwert) Bemessungs-Kurzzeit-Stehwechelspannung,(kV)(Effektivwert)
(кВ) (кВ) (кВ) (кВ)
≤1,1 3 - -
3,6 10 20 40
7,2 20 40 60
12 28 60 75
17,5 38 75 95
24 50 95 125
36 70 145 170
52 95 250
72,5 140 325

Abb. B3: Bemessungs-Stehspannungen für Transformatorwicklungen mit einer höchsten Spannung für Betriebsmittel Um < 72,5 kV – Serie I auf der Basis europäischer Praxis

Es ist offensichtlich, dass das Isolationsvermögen anderer HS-Komponenten in Verbindung mit beispielsweise Porzellan- oder Glasisolatoren, HS-Kabeln, Mess-gerätetransformatoren usw. mit den eingangs für Schaltgeräte und Transformatoren genannten Werten kompatibel sein muss. Prüfungen für diese Komponenten sind den entsprechenden IEC- und VDE-Bestimmungen zu entnehmen.

In den nationalen Normen einzelner Länder sind nur die für diese Länder relevanten Werte für Spannung, Strom, Fehlerniveaus usw. angegeben.

In den nationalen Normen einzelner Länder sind nur die für diese Länder relevanten Werte für Spannung, Strom, Fehlerniveaus usw. an-gegeben.

Allgemeiner Hinweis:

Die IEC-Normen sind für weltweite Gültigkeit konzipiert und müssen daher unter-schiedliche Gegebenheiten berücksichtigen. Damit wird den diversen Anwendungs-praktiken der einzelnen Länder mit ihren unterschiedlichen Witterungsbedingungen und geographischen und wirtschaftlichen Besonderheiten Rechnung getragen.

Nur ein Leistungsschalter (bzw. über einen begrenzten Spannungsbereich eine Lasttrenn- schalter-Sicherungskombination) kann die im Fehlerfall auftretenden sehr hohen Kurzschluss-ströme in einem Energieversorgungsnetz be-herrschen und abschalten.

Bemessungs-Kurzzeitstrom (Ik)

Als Bemessungs-Kurzzeitstrom eines Schaltgerätes wird der Effektivwert des Stro-mes, den ein Schaltgerät in der Einschaltstellung während einer festgelegten kurzen Zeit unter vorgeschriebenen Bedingungen für die Anwendung und das Verhalten führen kann, bezeichnet. Er wird in aller Regel in kA angegeben und muss gleich dem Bemessungs-Kurzschlussstrom des Schaltgerätes sein. Der Normwert des Bemessungs-Kurzzeitstromes wird aus der R-10-Reihe in IEC 60059 ausgewählt. Hieraus ergeben sich genormte Bemessungs-Kurzzeitströme von 6,3-2,5-16-20-25- 31,5-40-50-63-80-100 kA. Die gängigen Bemessungs-Kurzzeitströme von Hoch-spannungs-Leistungsschaltern für die in diesem Kapitel betrachteten Bemessungs-spannungen (Ur) sind in Abbildung B4 angegeben.

кV 3,6 7,2 12 17,5 24 36 52
кА
(eff.)
12,5 12,5 12,5
16 16 16 16 16 16 16
25 25 25 25 25 25
31,5 31,5 31,5 31,5 31,5 31,5
50 50 50

Abb. B4: Standardwerte für Bemessungs-Kurzzeitströme

Berechnung von Kurzschlussströmen

Die Vorgaben zur Berechnung von Kurzschlussströmen in elektrischen Netzen sind in der IEC 60909 (VDE 0102) enthalten. Bei komplexen Anlagen kann die Berech-nung der Kurzschlussströme an diversen Punkten eines Energieversorgungssys-tems erheblichen Aufwand mit sich bringen. Mit speziellen Rechenprogrammen lässt sich hier viel Zeit sparen. Die o.g. allgemeine Norm gilt für alle Strahlen- und Maschennetze mit 50 oder 60 Hz bis 550 kV; sie ist äußerst genau und führt zu Er-gebnissen, die zu keinen kritischen Netzzuständen führen. Sie kann für die diversen Kurzschlussarten (symmetrisch und unsymmetrisch) angewendet werden, die in elektrischen Netzen auftreten können:

  • Dreipoliger Kurzschluss (alle drei Außenleiter), bei dem im Allgemeinen die höch-sten Ströme auftreten.
  • Zweipoliger Kurzschluss (zwischen zwei Außenleitern) mit kleineren Strömen als bei dreipoligem Kurzschluss.
  • Zweipoliger Kurzschluss mit Erdberührung, Kurzschluss zwischen zwei Außen-leitern und Erde.
  • Erdschluss, einpoliger Kurzschluss zwischen einem Außenleiter und Erde, dem häufigsten Fehlerfall (80 % aller Fälle).

Der im Kurzschlussfall fließende transiente Kurzschlussstrom ist zeitabhängig und setzt sich aus zwei Komponenten zusammen (siehe Abbildung B5).

  • Einer bis auf einen stationären Wert abklingenden Wechselstromkomponente, die durch die diversen umlaufenden Maschinen und deren Zeitkonstanten beeinflusst wird.
  • Einer auf Null abklingenden Gleichstromkomponente, die durch den entstehenden Kurzschlussstrom und die Impedanzen des Stromkreises beeinflusst wird.

In der Praxis bedeutet dies, dass folgende zur Auswahl der Anlagen, Betriebsmittel und Schutzausrüstungen benötigten Kurzschlusswerte zu bestimmen sind:

  • I’’k: Anfangs-Kurzschlusswechselstrom (Effektivwert)
  • Ib: Effektivwert des vom Schaltgerät ausgeschalteten Kurzschlussstroms im Mo-ment des Öffnens des ersten Pols nach der Totzeit tmin (Verzögerungszeit)
  • Ik: Dauerkurzschlussstrom (Effektivwert)
  • Ip: Stoßkurzschlussstrom (erster Scheitelwert des Fehlerstromes)
  • Id.c.: abklingender aperiodischer Anteil des Kurzschlussstromes (Gleichstromanteil)

Diese Ströme werden je nach Kurzschlussart mit den Indizes 3, 2, 2E, 1 mit der Be-deutung 3-polig, 2-polig ohne Erde, 2-polig gegen Erde und 1-polig gegen Erde ge-kennzeichnet. Bei dieser auf dem Überlagerungstheorem nach Thévenin und der Aufteilung in symmetrische Komponenten beruhenden Methode wird zur Bestim-mung des Stromes am Kurzschlusspunkt eine äquivalente Ersatzspannungsquelle angesetzt. Die rsatzspannungsquelle ist die einzige wirksame Spannung des Netzes. Alle Netzeinspeisungen, Synchron- und Asynchronmaschinen werden durch ihre Impedanzen ersetzt. Die Berechnung erfolgt in drei Schritten.

  • Bestimmung der am Kurzschlusspunkt angesetzten Ersatzspannungsquelle. Diese entspricht der unmittelbar vor dem Kurzschluss anstehenden Spannung und ist gleich dem Produkt aus der Bemessungsspannung und einem spezifischen Koeffizienten. Die Betriebsdaten und die Belastungen, die Stellung des Transformatorstufenschalters, die Erregung der Generatoren usw. sind nicht erforderlich. Zusätzliche Berechnungen für alle möglichen Flusszustände im Augenblick des Kurzschlusseintritts sind nicht erforderlich.
  • Berechnung der vom Kurzschlusspunkt aus betrachteten Impedanzen eines jeden an diesem Punkt ankommenden Abzweigs. Bei Mitsystemen und Gegensystemen werden Leitungskapazitäten und Scheinleitwerte paralleler, nicht umlaufender Lasten in der Berechnung nicht berücksichtigt.
  • Nach Bestimmung der Spannungs- und Impedanzwerte erfolgt die Berechnung der minimalen und maximalen Kurzschlussströme.

Die Berechnung der diversen Stromwerte am Kurzschlusspunkt erfolgt mit:

  • den bereitgestellten Gleichungen
  • einem Summenkoeffizienten für die am Knoten angeschlossenen Abzweige:
    • I’’k (siehe Abb. B6 zur I’’k -Berechnung, wobei der Spannungsfaktor b normseitig festgelegt ist; geometrische oder algebraische Summenbildung).
    • Ip = κ x 2 x I’’k, wobei κ kleiner 2 ist, je nach R/X-Verhältnis der Impedanz des Mitsystems für den jeweiligen Abzweig; Summierung der Spitzenwerte.
    • Ib = µ x q x I’’k, wobei µ und q abhängig von den Generatoren und Motoren und der minimalen Stromunterbrechung kleiner 1 sind; algebraische Summenbildung.
    • Ik = I’’k, wenn es sich um einen generatorfernen Kurzschluss handelt.
    • Ik = λ x Ir, bei einem Generator, wobei Ir dem Generatorbemessungsstrom und λ einem Restinduktivitätskoeffizienten entspricht; algebraische Summenbildung.



Charakterisierung

Bei den Systemkomponenten wird zwischen 2 Typen differenziert, je nachdem ob sie im Fehlerfall reagieren (aktive Komponenten) oder nicht (passive Komponenten).

Passive Komponenten

Unter diese Kategorie fallen alle Betriebsmittel, die aufgrund ihrer Funktion dazu in der Lage sein müssen, sowohl den normalen Strom als auch den Fehlerstrom (Kurz-schlussstrom) zu führen. Zum Beispiel Kabel, Leitungen, Sammelschienen, Trenn-schalter, Schalter, Transformatoren, Vorschaltwiderstände und Kondensatoren, Messwandler.

Ausschlaggebend für die Kurzschlussfestigkeit dieser Betriebsmittel sind ihre:

  • elektrodynamische Festigkeit („Scheitelwert in kA”), d.h. die mechanische Wider-standsfähigkeit gegenüber elektrodynamischer Beanspruchung,
  • thermische Festigkeit („Kurzzeitstromfestigkeit”; Effektivwert in kA für die Dauer von 0,5 bis 3 Sekunden bei einem Präferenzwert von 1 Sekunde), die die maxi-mal zulässige Erwärmung berücksichtigt.

Aktive Komponenten

Unter diese Kategorie fallen Betriebsmittel, die im Fehlerfall einen auftretenden Kurz-schlussstrom unterbrechen/abschalten, d.h. Leistungsschalter und Sicherungen. Charakteristische Merkmale dieser Betriebsmittel sind das Kurzschlussausschaltvermögen und ggf. das Kurzschlusseinschaltvermögen. b* Ausschaltvermögen (siehe Abb. B7) Wichtigstes Kriterium eines Schaltgerätes für den Kurzschlussschutz ist der maxima-le Strom (Effektivstrom in kA), den es unter den normseitig definierten, besonderen Bedingungen ausschalten kann; in der IEC 62271-100 (VDE 0671-100) bezieht sich das Ausschaltvermögen auf den Effektivwert der Wechselstromkomponente des Kurzschlussstromes. In einigen anderen Normen ist stattdessen der summarische Effektivwert beider Komponenten (Wechsel- und Gleichstrom) spezifiziert, wobei es sich dann um den „asymmetrischen Strom“ handelt.

Das Ausschaltvermögen hängt auch von anderen Faktoren ab, wie z.B.:

    • Spannung,
    • R/X-Verhältnis des unterbrochenen Stromes, Zeitkonstante des Gleichstroman-teils,
    • Normalfrequenz des Energieversorgungsnetzes,
    • Anzahl an Ausschaltvorgängen bei maximalem Strom, beispielsweise der Zyklus:O - CO - CO (O = Öffnen, C = Schließen),
    • Gerätestatus nach Prüfung.

Das Ausschaltvermögen ist relativ kompliziert zu bestimmen und somit ist es nicht verwunderlich, dass ein und demselben Gerät unterschiedliche Werte zugewiesen sein können, je nach der zugrundegelegten Geräte- und Prüfnorm.

  • Bemessungs-Kurzschlusseinschaltstrom Grundsätzlich ergibt sich das Kurzschlusseinschaltvermögen implizit aus dem Aus-schaltvermögen, denn wenn ein Schutzgerät einen Strom ausschalten kann, muss es diesen auch einschalten können.

Mitunter muss jedoch das Einschaltvermögen höher als das Ausschaltvermögen sein, wie beispielsweise bei Leistungsschaltern, die zum Schutz von Generatoren vorgesehen sind. Das Einschaltvermögen bemisst sich am Scheitelwert des Stromes in kA, weil sich die erste asymmetrische Spitze elektrodynamisch am stärksten aus-wirkt. Nach IEC 62271-100 (VDE 0671-100) ist der Bemessungs-Kurzschlussein-schaltstrom eines Leistungsschalters mit gleichzeitig geschalteten Polen der Bemes-sungsspannung und der Bemessungsfrequenz zugeordnet.

Die folgenden Werte gelten:

  • Für eine Bemessungsfrequenz von 50 Hz und dem Normwert der Zeitkonstante von 45 ms ist der Bemessungs-Kurzschlusseinschaltstrom gleich dem 2,5-fachen Effektivwert der Wechselstromkomponente des Bemessungs-Kurzschlussaus-schaltstromes.
  • Für eine Bemessungsfrequenz von 60 Hz und dem Normwert der Zeitkonstante von 45 ms ist der Bemessungs-Kurzschlusseinschaltstrom gleich dem 2,6-fachen Effektivwert der Wechselstromkomponente des Bemessungs-Kurzschlussaus-schaltstromes.
  • Für alle Zeitkonstanten für Spezialfälle ist der Bemessungs-Kurzschlusseinschalt-strom gleich dem 2,7-fachen Effektivwert der Wechselstromkomponente des Be-messungs-Kurzschlussausschaltstromes, unabhängig von der Bemessungs-frequenz des Leistungsschalters.

Ein entsprechendes Einschaltvermögen ist auch für Lastschalter und manchmal auch für Trennschalter erforderlich, auch wenn diese Geräte den Kurzschluss nicht ausschalten können.

  • Prospektiver Kurzschlussausschaltstrom

Einige Geräte können den auszuschaltenden Kurzschlussstrom begrenzen. Deren Ausschaltvermögen wird angegeben als der Wert des maximalen prospektiven Kurzschlussstromes, der an den Eingangsklemmen des Gerätes im Kurzschlussfall dauerhaft fließen würde.

Besondere Gerätemerkmale

Die wesentlichen Funktionen und Einschränkungen diverser Hochspannungs-Schaltgeräte sind in Abbildung B8a aufgeführt.

In vielen kleineren und mittleren HS-Energie-verteilnetzen ist für Schaltgeräte ein Bemes-sungs-Betriebsstrom von 630 A ausreichend.

Bemessungs-Betriebsstrom (Ir)

Der Bemessungs-Betriebsstrom ist definiert als der Effektivwert des Stromes, den die Hauptstrombahnen eines Schaltgerätes unter den festgelegten Bedingungen für Anwendung und Verhalten dauernd führen kann. Der Normwert des Bemessungs-Betriebsstromes wird aus der R-10-Reihe in IEC 60059 ausgewählt. Hieraus er-geben sich genormte Bemessungs-Betriebsströme von 200-250-315-400-500-630-800-1000-1250-1600-2000-2500-3150-4000-5000-6300 A.

Die Bemessungs-Betriebsstromanforderungen an die Schaltgeräte werden im Rahmen der HS-Netzplanung und der Verbrauchsstruktur festgelegt.

In vielen kleinen und mittleren HS-Energieverteilnetzen ist für Schaltgeräte ein Be-messungs-Betriebsstrom von 400 A bis 630 A ausreichend.

In Industriebetrieben und Stadtgebieten mit hoher Lastdichte sind Stromkreise mit Bemessungsströmen von 630 A erforderlich. In Hauptverteilerstationen und großen Industriebetrieben werden zur Speisung von HS-Netzen jedoch fast immer Leis-tungsschalter mit Bemessungs-Betriebsströmen von 800 A bis 4000 A eingesetzt.

Verteiltransformatoren mit einer Nennleistung bis zu etwa 1000 kVA können durch HS-Lastschalter-Sicherungskombinationen geschützt werden. Für diesen Bereich findet man die entsprechenden Zuordnungswerte in der VDE 0670-402 (s. Abb. B8b und Abb. B8c auf der nächsten Seite). Für höhere Leistungen sind Lastschalter-Sicherungskombinationen normalerweise nicht ausgelegt und auch nicht geprüft.









Die IEC bzw. VDE gibt in diesen Fällen keine Empfehlungen zu den Bemessungs-strömen dieser Kombinationen. Die Angabe des Bemessungsstromes erfolgt durch den Hersteller der Lastschalter-Sicherungskombination nach Maßgabe der Siche-rungseigenschaften, wie z.B.:

  • Mindestauschaltstrom I3 ist kleiner als der kleinste Kurzschlussstrom ISCmin,
  • Einschaltstrom (12 x Ir, 100 ms) muss gehalten werden,
  • sekundärseitiger Klemmenkurzschlussstrom (ISCmin) muss von der Sicherung innerhalb 2 s abgeschaltet werden

und den jeweiligen Transformatorkenndaten, wie z.B.:

  • Transformatoren-Nennstrom auf der HS-Seite,
  • zulässiger Überstrom und zulässige Überstromdauer,
  • max. Spitzeneinschaltstrom beim Einschalten des Transformators,
  • Eigenzeit des Lastschalters,
  • Schaltstellung der Umsteller usw. gem. dem Beispiel in Anhang A der IEC 62271-105 (VDE 0671-105).

Einfluss von Umgebungstemperatur und Aufstellungshöhe auf den Bemessungsstrom

Jedem stromführenden elektrischen Betriebsmittel ist ein Bemessungsstrom zuge-wiesen. Die Festlegung oberer Grenzwerte erfolgt nach Maßgabe des zulässigen Temperaturanstiegs infolge der I2R-Erwärmung der Leiter (Wattleistung) (wobei I = Effektivstrom in Ampère und R = Ohmscher Widerstand des Leiters ist), der Er-wärmung durch Hysterese und Wirbelstromverluste in Motoren, Transformatoren usw. sowie ggf. der kapazitiven Erwärmung von Kabeln und Kondensatoren.

Der über die Umgebungstemperatur hinausgehende Temperaturanstieg wird im Wesentlichen durch die Wärmeableitung beeinflusst. Die Wicklungen eines Motors können beispielsweise ohne zu überhitzen von hohen Strömen durchflossen wer-den, wenn auf der Motorwelle ein Lüfter montiert ist, der die generierte Wärme sofort wieder ableitet. Die Temperatur wird also stabil auf einem Wert gehalten, bei dem die Isolierung keinen Schaden nehmen kann und der Motor nicht durchbrennt.

Üblicherweise werden bei solchen „Systemen mit Zwangskühlung“ öl- oder luft-gekühlte Transformatoren eingesetzt.

Die gemäß VDE empfohlenen Bemessungsströme gelten für Umgebungstempera-turen, wie sie in gemäßigten Klimazonen üblich sind und bei Höhen bis zu 1000 m, d.h. bei Geräten mit natürlicher Kühlung durch Wärmeabstrahlung und Luftkonvek-tion, die in tropischem Klima und/oder bei Höhen über 1000 m bei Bemessungs-strom betrieben werden, besteht Überhitzungsgefahr. In solchen Fällen ist eine Leis-tungsreduzierung vorzunehmen, d.h. es muss ein niedrigerer Bemessungsstrom zugewiesen werden.

Für Transformatoren sind detaillierte Informationen in der IEC 60076-2 (VDE 0532-102) aufgeführt.

Bei zwangsgekühlten Transformatoren muss zur Beibehaltung der ursprünglich in der IEC (VDE) spezifizierten Bemessungsstromwerte normalerweise nur ein Son-nenschutz montiert und die Kühlfläche des Ölradiators, die Kühlölmenge, die Leis-tung der Ölumlaufpumpen und die Größe der Lüfter erhöht werden.

Bei Schaltgeräten erfragen Sie bitte beim Gerätehersteller, welche Leistungsredu-zierung bei den konkret vorhandenen Bedingungen vorzunehmen ist.

Erdschlussfehler in einem HS-Netz können in NS-Anlagen gefährliche Spannungserhöhungen bewirken. NS-Verbraucher (und Bedienpersonal von Umspannstationen) können davor folgen-dermaßen geschützt werden:

  • Begrenzung der HS-Erdschlussfehlerströme,
  • Verringerung des Erdungswiderstandes in der Umspannstation auf den kleinstmöglichen Wert,
  • Realisierung von Potentialausgleichsbedin-gungen an der Umspannstation und an den Anlagen des Kunden.

Netzsysteme

Erdungsanschlüsse und Erdungssammelschienen müssen sorgsam geplant werden, insbesondere was die Sicherheit der NS-Verbraucher bei einem Kurzschluss gegen Erde im HS-Netz angeht.

Erdung

Im Allgemeinen sind alle berührbaren metallischen Teile der HS- und der NS-Anlage mit dem Haupterdungsleiter einer Station zu verbinden. Daran werden außerdem der NS-Neutralleiter, der Potentialausgleichserder für die Station, das Gehäuse der Station (z.B. Armierung) und nicht zuletzt die Erdungselektrode (Tiefenerder) angeschlossen. Der Potentialausgleichserder besteht aus einem Erdungsband, das ringförmig in ca. 1 m Abstand um die Station herum verlegt wird.

In manchen Ländern sehen lokale Bestimmungen auch eine getrennte Erdung von HS-Anlage und NS-Sternpunkt vor.

Erdschlussstrom

Die Höhe der Erdschlussströme erreicht in Hochspannungsnetzen mit niedriger Erd-impedanz der Umgebung im Allgemeinen ein Niveau, das mit einem 3-poligen Kurz-schluss vergleichbar ist (sofern keine bewusste Begrenzung durch eine hochohmige Sternpunktbehandlung vorgenommen wurde).

Aufgrund der hohen Ströme, die durch den Erder fließen, erhöht sich ihre Spannung gegenüber der „Fernerde“ beträchtlich (das Bodenmaterial um den Erder herum er-hält ein hohes Potential; die „Fernerde“ hat Nullpotential).

Wenn durch den Erder beispielsweise ein Erdschlussstrom von 10.000 A fließt und der Widerstand 0,5 Ohm beträgt, so steigt die Spannung auf 5000 V.

Sofern alle berührbaren leitfähigen Teile der Umspannstation elektrisch miteinander verbunden und an dem Erder angeschlossen sind und der Erder selbst in Form eines unter dem Fußboden verlegten Maschenerders realisiert (oder an einen solchen angeschlossen) ist, besteht für das Personal keine Gefahr, da durch diese Anordnung alle leitfähigen Materialien, einschließlich der Menschen, auf ein und dasselbe Potential gebracht werden.

Potentialverschleppung

Durch Potentialverschleppung kann es allerdings zu einer Gefährdung kommen. Aus Abb. B9 ist ersichtlich, dass der Sternpunkt der NS-Wicklung des Verteiltransforma-tors ebenfalls mit dem gemeinsamen Erder der Station verbunden ist und somit der Sternpunkt, die Unterspannungswicklungen sowie sämtliche Leiter ebenso auf das Erdpotential gebracht werden.

NS-Versorgungsleitungen, die aus der Umspannstation herausgeführt werden, transportieren dieses Potential zu den Verbraucheranlagen weiter. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass zwischen den Außenleitern bzw. zwischen Außen- und Neutralleiter kein Isolationsfehler auftreten wird, da das Potential ja bei allen identisch ist.

Lösungen

Um mögliche Berührungsspannungen im ungefährlichen Bereich zu halten und gleichzeitig die Anforderungen an eine möglichst niederohmige Erdung zu erleich-tern, ist es üblich, die Erdschlussströme im HS-Netz zu begrenzen.

Hierfür kommen drei verschiedene Verfahren in Betracht:

  • Isolierter Sternpunkt

Im Erdschlussfall kann lediglich ein kapazitiver Strom über die Fehlerstelle fließen.

  • Widerstandserdung des Sternpunktes

Je nach Höhe des Widerstands wird der Erdschlussstrom auf geringe Werte von ca. 1,0 bis 1,5 kA begrenzt.

  • Kompensierter Sternpunkt

Der Sternpunkt wird über die Drossel (Petersenspule) geerdet, die auf die Netz- kapazität abgestimmt ist. Der daraus folgende induktive Strom kompensiert den kapazitiven Strom der Netzkapazität.

Bei relativ hohem Potential lässt sich das Problem einer Potentialverschleppung mit diesen Mitteln allerdings nicht komplett beseitigen, so dass in manchen Ländern die nachfolgend beschriebene Strategie angewandt wird.

Die Potentialausgleichsvorrichtung am Standort eines Kunden stellt eine Fernerde mit Nullpotential dar. Würde diese Erdungsanlage über einen niederohmigen Leiter mit der Erdungselektrode der Umspannstation verbunden, dann wären die Potential-ausgleichsbedingungen, so wie sie in der Umspannstation gegeben sind, auch in der Anlage des Kunden vorhanden.

Niederohmige Erdung

Die niederohmige Erdung erfolgt durch einfaches Durchschleifen des PEN-Leiters zur Potentialausgleichsanlage beim Kunden. Im Ergebnis handelt es sich somit um ein TN-System (IEC 60364-4-41 (VDE 0100-410)), das in Schaltbild A von Abb. B10 (auf der nächsten Seite) dargestellt ist.

Ein TN-System verfügt normalerweise über eine Mehrfacherdung, bei der der Stern-punkt bzw. der PEN-Leiter oder der Schutzleiter über seine gesamte Länge in regel-mäßigen Abständen und an jedem Hausanschluss des Abnehmers geerdet wird. Somit stellt das Netz der aus einer Umspannstation herausgeführten und in regel-mäßigen Abständen geerdeten Neutralleiter, zusammen mit der Erdungsanlage der Umspannstation, einen äußerst effektiven niederohmigen Erder dar.

Die Kombination aus Erdschlussstrombegrenzung, Potentialausgleichsanlagen und niederohmiger Erdung der Umspannstation führt im Ergebnis zu deutlich kleineren Überspannungspegeln und deutlich geringerer Beanspruchung der Außenleiter-/Erde-Isolierung bei Auftreten des oben beschriebenen HS-Erdschlussfehlertyps.

Begrenzung des HS-Erdschlussstromes und des Erdungswiderstandes der Umspannstation

Schaltbild C der Abbildung B10 zeigt ein weiteres, häufig verwendetes Netzsystem. Im TT-System stellt die Erdungsanlage der Kundenstation (die nicht mit der Erdungs-anlage der Umspannstation verbunden ist) eine Fernerde dar.

Wenngleich die Außenleiter-/Außenleiter-Isolierung der Geräte in der Kundenstation durch Potentialverschleppung nicht beansprucht wird, treten auf der Außenleiter-/Erde-Isolierung aller drei Außenleiter sehr wohl Überspannungen auf.






Anmerkungen:

  • Bei TN-a und IT-a sind die berührbaren leitfähigen HS- und NS-Teile der Umspannstation und der kundenseitigen Anlagen sowie der NS-Sternpunkt des Transformators gemeinsam über den Potentialausgleich der Umspannstation geerdet.
  • Bei TT-a und IT-b sind die berührbaren leitfähigen HS- und NS-Teile der Umspannstation sowie der NS-Sternpunkt des Transformators über

den Potentialausgleich der Umspannstation geerdet.

  • Bei TT-b und IT-c ist der NS-Sternpunkt des Transformators separat außerhalb des Einflussbereiches der Erdungsanlage in der Umspann-station geerdet.

Uw und Uws wird üblicherweise der Wert (IEC 60364-4-44 (VDE 0100-442)) Uo + 1200 V zugewiesen, wobei Uo die Nenn-Außenleiter-Neutral-leiterspannung der betreffenden NS-Anlage ist.


Im Rahmen dieses strategischen Ansatzes wird der Widerstand des Erders in der Umspannstation soweit verringert, dass die normseitig für NS-Schaltgeräte und Be-triebsmittel spezifizierte betriebsfrequente Beanspruchungsspannung gegen Erde von 5 Sekunden nicht überschritten wird.

Von einem nationalen Netzbetreiber wurden für die 20 kV-Energieversorgungssys-teme diesbezüglich die folgenden Praxiswerte übernommen:

  • Maximaler Fehlerstrom gegen Erde von 300 A auf dem Neutralleiter bei Freilei-tungssystemen oder kombinierten Systemen (Freileitung und Erdkabel).
  • Maximaler Fehlerstrom gegen Erde von 1000 A auf dem Neutralleiter bei in Erde verlegten Systemen.

Der maximale Erdungswiderstand RE an der Umspannstation, bei dem die betriebs-frequente Beanspruchungsspannung nicht überschritten wird, berechnet sich wie folgt:


wobei: U2: niedrigster Wert (in Volt) der betriebsfrequenten Beanspruchungsspannung (5 s)für die kundenseitigen Anlagen und Betriebsmittel für HS-Netze mit kurzer Ab-schaltzeit (≤ 5 s) = Uo + 1200 V, gemäß IEC 60364-4-442 (VDE 0100-442)

Uo: Außenleiter-Neutralleiterspannung (in Volt) des NS-Hausanschlusses beim Ab-nehmer

IE: Teil des Erdfehlerstromes in der Hochspannungsanlage, der über die Erdungs-anlage der Transformatorstation fließt.

Ein System nach Art der Erdverbindung – das „IT“-System gemäß IEC 60364-4-442 (VDE 0100-442) – wird üblicherweise dann eingesetzt, wenn die Versorgungssicher-heit, wie zum Beispiel bei Krankenhäusern, kontinuierlichen Fertigungsprozessen usw. von vorrangiger Bedeutung ist. Bei dieser Variante erfolgt die Versorgung durch eine nichtgeerdete Stromquelle, wobei es sich in den meisten Fällen um einen Transformator handelt, dessen Sekundärwicklung nicht oder sehr hochohmig (⩾ 1000 Ohm) geerdet ist. In diesen Fällen tritt bei einem Isolationsfehler in einem über die Sekun-därwicklung versorgten NS-Stromkreis kein Fehlerstrom oder nur ein vernachlässig-bar geringer Fehlerstrom auf, der problemlos solange weiter anstehen kann, bis der betroffene Stromkreis zu Reparaturzwecken abgeschaltet werden kann. In solchen Fällen ist der Einsatz eines Isolationsüberwachungsgerätes vorgeschrieben, das eine entsprechende Störung meldet.

Schaltbilder B, D und F

(siehe Abb. B10)

Hier sind IT-Systeme dargestellt, in denen Widerstände (von etwa 1000 Ohm) in die Erdungsleitung integriert sind. Wenn diese Widerstände entfernt werden und das System somit ungeerdet ist, gelten die folgenden Anmerkungen.

Schaltbild B

(siehe Abb. B10)

Sämtliche Außenleiter und auch der Neutralleiter sind gegenüber der Erde, mit der sie über (normalerweise sehr hohe) Isolationswiderstände und (sehr kleine) Kondensatoren zwischen den stromführenden Leitern und Masse (Wasserleitungen usw.) „verbunden“ sind „potentialfrei“. Bei angenommener idealer Isolierung werden alle NS-Außenleiter und Neutralleiter durch elektrostatische Induktion auf ein Potentialniveau gebracht, das dem der Potentialausgleichsleiter nahekommt. In der Praxis ist es aufgrund der Kriechströme, die durch die diversen stromführenden Leiter parallel-betriebener Anlagen bedingt sind, wahrscheinlicher, dass sich das System ähnlich wie ein System verhält, in dem der Neutralleiter über einen Erdungswiderstand ge-erdet ist und sämtliche Leiter somit auf das Potentialniveau der Erdungsanlage der Umspannstation gebracht werden. In diesen Fällen ist eine Beanspruchung der NS-Isolierung durch Überspannungen vernachlässigbar gering oder gar nicht gegeben.

Schaltbilder D und F

(siehe Abb. B10)

In diesen Fällen wirkt das hohe Potential der Erdungsanlage in der Umspannstation (S-Station) auf die isolierten, niederspannungsseitigen Außenleiter und den Neutral-leiter:

  • durch die Kapazität zwischen den NS-Wicklungen des Transformators und dem Transformatorgehäuse,
  • durch die Kapazität zwischen den Potentialausgleichsleitern in der S-Station und den Schirmen der aus der Umspannstation herausgeführten Kabel,
  • durch Kriechstrecken der Isolierung und dem Isolationswiderstand, die in beiden Fällen auftreten.

Außerhalb des Wirkbereiches der Erdungsanlage der Umspannstation treten Kapa-zitäten zwischen den Leitern und der auf Nullpotential liegenden Erde auf (Kapazi-täten zwischen den Schirmen der Kabel sind nicht relevant, da alle Schirme auf dasselbe Potentialniveau gebracht werden).

Im Ergebnis stellt dies einen kapazitiven Spannungsteiler dar, bei dem jeder „Kon-densator“ mit Widerständen in Reihe geschaltet ist.

Im Allgemeinen sind die Kapazitäten der NS-Leitungen und Installationskabel ge-genüber Erde weitaus höher und die Isolationswiderstände gegen Erde sehr viel kleiner als in der Umspannstation, so dass die Überspannungsbeanspruchung vor allem in der Umspannstation zwischen Transformatorgehäuse und NS-Wicklung auftritt. Sofern der HS-seitige Erdschlussfehlerstrom, wie eingangs erwähnt, be-grenzt worden ist, wird das Anheben des Potentialniveaus in der Kundenstation kaum zu Problemen führen.

Alle im IT-System geerdeten Sternpunkte der Transformatoren sind sowohl bei iso-liertem als auch bei hochohmig geerdetem Sternpunkt standardmäßig mit einem Überspannungsableiter ausgerüstet, der den Sternpunkt automatisch gegen Erde schaltet, wenn infolge von Überspannungen die Bemessungsisolationsspannungsfestigkeit der NS-Anlage überschritten werden könnte. In Abschnitt 3.1 sind weitere Möglichkeiten beschrieben, unter denen Überspannungen auftreten können.

Diese Art von Fehlern gegen Erde tritt sehr selten auf, wird bei ordnungsgemäßer Planung und Auslegung der Anlage aber schnell erkannt und durch einen Leistungsschalter mit dem entsprechenden Schutzsystem sicher geschaltet. Die Sicherheit in Umgebungen mit erhöhtem Potentialniveau hängt ausschließlich von der ordnungsgemäßen Auslegung der Potentialausgleichsbereiche ab. Hierbei werden im Allge-meinen breitmaschige Netze aus blanken Kupferleitern verwendet, die mit vertikalen kupferummantelten(1) Stäben aus Stahl verbunden sind.

Das zu beachtende Kriterium für die Bestimmung des Potentialausgleichs ist in Kapi-tel F, das sich mit dem Schutz gegen elektrischen Schlag, insbesondere mit dem Schutz bei indirektem Berühren befasst, beschrieben und besagt: dass das Potential zwischen zwei beliebigen außenliegenden leitfähigen Materialien, die gleichzeitig auf irgendeine Weise berührt werden können, unter keinen Umständen dazu führen darf, dass eine Berühungsspannung von mehr als 50 V bei trockenen Bedingungen bzw. 25 V bei feuchten Bedingungen auftritt. Besonders zu beachten sind hierbei die Übergänge zwischen Potentialausgleichsbereichen, an denen starke Potentialgefälle am Boden unbedingt zu vermeiden sind, da hierdurch gefährliche „Schrittspan-nungen“ auftreten könnten.

Diese Problematik wird in Abschnitt 3.1 näher erläutert.

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