Kenndaten vom Versorgungsnetz des Netzbetreibers
Die wichtigsten Kenngrößen eines Hoch-spannungsversorgungsnetzes sind:
- die Nennspannung in kV,
- die Kurzschlussleistung in MVA,
- die Netzform.
Kenndaten vom Versorgungsnetz des Netzbetreibers
Nennspannung und Isolationspegel
Die Nennspannung eines Systems, einer Anlage oder eines Betriebsmittels ist in der IEC 60038 (VDE 0175) definiert als „die Spannung, durch die ein System, eine Anla-ge oder ein Betriebsmittel gekennzeichnet ist und auf die bestimmte Betriebskenn-daten bezogen werden“. Eng verbunden mit der Nennspannung sind die beiden Begriffe der „Höchsten Spannung eines Netzes“ und der „Niedrigsten Spannung eines Netzes“. „Die höchste im Netz auftretende Spannung“, die sich auf die Steh-wechselspannungsfestigkeit bezieht und auf die die anderen Kenndaten von Anla-gen und Betriebsmitteln bezogen werden können.
Die „höchste Spannung eines Netzes“ ist in der IEC 60038 (VDE 0175) definiert als „der höchste Spannungswert, der unter normalen Betriebsbedingungen zu einem beliebigen Zeitpunkt an irgendeiner Stelle des Netzes auftritt. Ausgeschlossen sind transiente Spannungen, z.B. von Schaltvorgängen im Netz und zeitweilige Span-nungsschwankungen“.
Anmerkungen:
1- Die höchste Spannung für Anlagen und Betriebsmittel wird nur bei Nennspan-nungen über 1 kV angegeben. Es ist allgemein bekannt, dass bei bestimmten Nenn-spannungen aufgrund von spannungsabhängigen Kenndaten wie Kondensatorver-lusten, Magnetisierungsströmen von Transformatoren usw. ein normaler Betrieb bis zur Bemessungsbetriebsspannung des Gerätes nicht gewährleistet werden kann. Für solche Fälle ist in den IEC-Normen und VDE-Bestimmungen der Grenzwert spezifiziert, bis zu dem bei den Anlagen und Betriebsmitteln der Normalbetrieb ge-währleistet werden kann.
2- Bei Anlagen und Betriebsmitteln, die in Netzen mit Nennspannungen bis zu 1 kV betrieben werden, sollte ausschließlich die Nennspannung angegeben werden und zwar sowohl die Bemessungsbetriebs- als auch die Bemessungsisolationsspan-nung.
3- Die Definition für „höchste Spannung für Anlagen und Betriebsmittel“ der
IEC 60038 (VDE 0175) ist mit der Definition für „Bemessungsspannung“ in der
IEC 62271-1 (VDE 0671-1) identisch. Die IEC 62271-1 (VDE 0671-1) bezieht sich auf Hochspannungs-Schaltgeräte für Spannungen über 1 kV.
Die Werte in Abb. B1 (auf der nächsten Seite) sind der IEC 60038 (VDE 0175) ent-nommen. Es handelt sich um übliche Nennspannungen von HS-Energieverteilungs-netzen, die hier zusammen mit der „höchsten Spannung für Anlagen und Betriebs-mittel” genannt sind. Sofern keine weiteren Angaben vorhanden sind, handelt es sich hier im Allgemeinen um Drehstromnetze. Der Wert gibt die Spannung zwischen den Außenleitern an. Eingeklammerte Werte sind nur bedingt verwendbar. Wir raten von einer Verwendung dieser Werte bei neuen Versorgungssystemen ab.
Es wird empfohlen, dass in einem Land das Verhältnis zwischen zwei benachbarten Nennspannungen nicht kleiner als zwei sein sollte.
Um einen adäquaten Schutz der Anlagen und Betriebsmittel gegen Bemessungs-Kurzzeit-Stehwechselspannung und Bemessungs-Stehblitzstoßspannungen durch Blitzschlag oder Schaltvorgänge sowie gegen netzseitige Fehler usw. zu gewähr-leisten, müssen die HS-Anlagen und die eingebauten Betriebsmittel über einen entsprechenden Bemessungs-Isolationspegel verfügen.
Hochspannungs-Schaltgeräte
Die „Bemessungs-Isolationspegel für die entsprechenden Bemessungsspannungen“ in Abb. B2 sind der IEC 62271-1 (VDE 0671-1) entnommen. Für die meisten Bemessungsspannungen stehen mehrere Bemessungs-Isolationspegel zur Verfü-gung, um den unterschiedlichen Eigenschaften und Anforderungen entsprechen zu können. Bei der Wahl der Bemessungs-Isolationspegel soll berücksichtigt werden, wie weit das Schaltgerät Überspannungen (durch Blitzschlag oder Schaltvorgänge(1)) ausgesetzt ist. Ferner sind die Art der Sternpunkterdung (Netzsystem) und der Typ der Überspannungs-Begrenzungselemente zu berücksichtigen. (Weitere Hinweise und Empfehlungen hierzu entnehmen Sie bitte der IEC 60071 (VDE 0111)).
Die allgemeinen Werte in der Abbildung B2 gelten für Leiter gegen Erde, zwischen den Leitern sowie der offenen Trennstrecke.
Für die in Abb. B2 aufgeführten Bemessungsspannungen sind keine Schaltüber-spannungen enthalten, weil diese im Gegensatz zu den Stehwechsel- und Stehblitz-stoßspannungen weniger schwerwiegende Auswirkungen haben.
Transformatoren
Abbildung B3 ist der IEC 60076-3 (VDE 0532-3) entnommen.
Für Liste 1 und Liste 2 gelten dieselben Auswahlkriterien wie in der Schaltgeräte-tabelle, d.h. maßgeblich ist die Blitzschlaghäufigkeit usw.
Andere Komponenten
Es ist offensichtlich, dass das Isolationsvermögen anderer HS-Komponenten in Verbindung mit beispielsweise Porzellan- oder Glasisolatoren, HS-Kabeln, Mess-gerätetransformatoren usw. mit den eingangs für Schaltgeräte und Transformatoren genannten Werten kompatibel sein muss. Prüfungen für diese Komponenten sind den entsprechenden IEC- und VDE-Bestimmungen zu entnehmen.
In den nationalen Normen einzelner Länder sind nur die für diese Länder relevanten Werte für Spannung, Strom, Fehlerniveaus usw. angegeben.
In den nationalen Normen einzelner Länder sind nur die für diese Länder relevanten Werte für Spannung, Strom, Fehlerniveaus usw. an-gegeben.
Allgemeiner Hinweis:
Die IEC-Normen sind für weltweite Gültigkeit konzipiert und müssen daher unter-schiedliche Gegebenheiten berücksichtigen. Damit wird den diversen Anwendungs-praktiken der einzelnen Länder mit ihren unterschiedlichen Witterungsbedingungen und geographischen und wirtschaftlichen Besonderheiten Rechnung getragen.
Nur ein Leistungsschalter (bzw. über einen begrenzten Spannungsbereich eine Lasttrenn- schalter-Sicherungskombination) kann die im Fehlerfall auftretenden sehr hohen Kurzschluss-ströme in einem Energieversorgungsnetz be-herrschen und abschalten.
Bemessungs-Kurzzeitstrom (Ik)
Als Bemessungs-Kurzzeitstrom eines Schaltgerätes wird der Effektivwert des Stro-mes, den ein Schaltgerät in der Einschaltstellung während einer festgelegten kurzen Zeit unter vorgeschriebenen Bedingungen für die Anwendung und das Verhalten führen kann, bezeichnet. Er wird in aller Regel in kA angegeben und muss gleich dem Bemessungs-Kurzschlussstrom des Schaltgerätes sein. Der Normwert des Bemessungs-Kurzzeitstromes wird aus der R-10-Reihe in IEC 60059 ausgewählt. Hieraus ergeben sich genormte Bemessungs-Kurzzeitströme von 6,3-2,5-16-20-25- 31,5-40-50-63-80-100 kA. Die gängigen Bemessungs-Kurzzeitströme von Hoch-spannungs-Leistungsschaltern für die in diesem Kapitel betrachteten Bemessungs-spannungen (U)r sind in Abbildung B4 angegeben.
Berechnung von Kurzschlussströmen
Die Vorgaben zur Berechnung von Kurzschlussströmen in elektrischen Netzen sind in der IEC 60909 (VDE 0102) enthalten. Bei komplexen Anlagen kann die Berech-nung der Kurzschlussströme an diversen Punkten eines Energieversorgungssys-tems erheblichen Aufwand mit sich bringen. Mit speziellen Rechenprogrammen lässt sich hier viel Zeit sparen. Die o.g. allgemeine Norm gilt für alle Strahlen- und Maschennetze mit 50 oder 60 Hz bis 550 kV; sie ist äußerst genau und führt zu Er-gebnissen, die zu keinen kritischen Netzzuständen führen. Sie kann für die diversen Kurzschlussarten (symmetrisch und unsymmetrisch) angewendet werden, die in elektrischen Netzen auftreten können:
- Dreipoliger Kurzschluss (alle drei Außenleiter), bei dem im Allgemeinen die höch-sten Ströme auftreten.
- Zweipoliger Kurzschluss (zwischen zwei Außenleitern) mit kleineren Strömen als bei dreipoligem Kurzschluss.
- Zweipoliger Kurzschluss mit Erdberührung, Kurzschluss zwischen zwei Außen-leitern und Erde.
- Erdschluss, einpoliger Kurzschluss zwischen einem Außenleiter und Erde, dem häufigsten Fehlerfall (80 % aller Fälle).
Der im Kurzschlussfall fließende transiente Kurzschlussstrom ist zeitabhängig und setzt sich aus zwei Komponenten zusammen (siehe Abbildung B5).
- Einer bis auf einen stationären Wert abklingenden Wechselstromkomponente, die durch die diversen umlaufenden Maschinen und deren Zeitkonstanten beeinflusst wird.
- Einer auf Null abklingenden Gleichstromkomponente, die durch den entstehenden Kurzschlussstrom und die Impedanzen des Stromkreises beeinflusst wird.
In der Praxis bedeutet dies, dass folgende zur Auswahl der Anlagen, Betriebsmittel und Schutzausrüstungen benötigten Kurzschlusswerte zu bestimmen sind:
- I’’k: Anfangs-Kurzschlusswechselstrom (Effektivwert)
- Ib: Effektivwert des vom Schaltgerät ausgeschalteten Kurzschlussstroms im Mo-ment des Öffnens des ersten Pols nach der Totzeit tmin (Verzögerungszeit)
- Ik: Dauerkurzschlussstrom (Effektivwert)
- Ip: Stoßkurzschlussstrom (erster Scheitelwert des Fehlerstromes)
- Id.c.: abklingender aperiodischer Anteil des Kurzschlussstromes (Gleichstromanteil)
Diese Ströme werden je nach Kurzschlussart mit den Indizes 3, 2, 2E, 1 mit der Be-deutung 3-polig, 2-polig ohne Erde, 2-polig gegen Erde und 1-polig gegen Erde ge-kennzeichnet. Bei dieser auf dem Überlagerungstheorem nach Thévenin und der Aufteilung in symmetrische Komponenten beruhenden Methode wird zur Bestim-mung des Stromes am Kurzschlusspunkt eine äquivalente Ersatzspannungsquelle angesetzt. Die rsatzspannungsquelle ist die einzige wirksame Spannung des Netzes. Alle Netzeinspeisungen, Synchron- und Asynchronmaschinen werden durch ihre Impedanzen ersetzt. Die Berechnung erfolgt in drei Schritten.
- Bestimmung der am Kurzschlusspunkt angesetzten Ersatzspannungsquelle. Diese entspricht der unmittelbar vor dem Kurzschluss anstehenden Spannung und ist gleich dem Produkt aus der Bemessungsspannung und einem spezifischen Koeffizienten. Die Betriebsdaten und die Belastungen, die Stellung des Transformatorstufenschalters, die Erregung der Generatoren usw. sind nicht erforderlich. Zusätzliche Berechnungen für alle möglichen Flusszustände im Augenblick des Kurzschlusseintritts sind nicht erforderlich.
- Berechnung der vom Kurzschlusspunkt aus betrachteten Impedanzen eines jeden an diesem Punkt ankommenden Abzweigs. Bei Mitsystemen und Gegensystemen werden Leitungskapazitäten und Scheinleitwerte paralleler, nicht umlaufender Lasten in der Berechnung nicht berücksichtigt.
- Nach Bestimmung der Spannungs- und Impedanzwerte erfolgt die Berechnung der minimalen und maximalen Kurzschlussströme.
Die Berechnung der diversen Stromwerte am Kurzschlusspunkt erfolgt mit:
- den bereitgestellten Gleichungen
- einem Summenkoeffizienten für die am Knoten angeschlossenen Abzweige:
- I’’k (siehe Abb. B6 zur I’’k -Berechnung, wobei der Spannungsfaktor b normseitig festgelegt ist; geometrische oder algebraische Summenbildung).
- Ip = κ x 2 x I’’k, wobei κ kleiner 2 ist, je nach R/X-Verhältnis der Impedanz des Mitsystems für den jeweiligen Abzweig; Summierung der Spitzenwerte.
- Ib = µ x q x I’’k, wobei µ und q abhängig von den Generatoren und Motoren und der minimalen Stromunterbrechung kleiner 1 sind; algebraische Summenbildung.
- Ik = I’’k, wenn es sich um einen generatorfernen Kurzschluss handelt.
- Ik = λ x Ir, bei einem Generator, wobei Ir dem Generatorbemessungsstrom und λ einem Restinduktivitätskoeffizienten entspricht; algebraische Summenbildung.