Verriegelungen und Schaltbedingungen: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 9. August 2017, 14:57 Uhr
Die mechanischen und elektrischen Verriegelungen sind in speziellen Geräten oder in den Steuerstromkreisen der in der Umspannstation installierten Anlagen integriert. Sie schützen gegen eine nichtkorrekte Schaltfolge durch das Bedienpersonal.
Ein mechanischer Schutz zwischen den Funktionen von separaten Geräten (z.B. Schaltanlage und Transformator) ist durch Schlüsselverriegelung gewährleistet.
Ein Verriegelungsplan soll nichtkorrekte Schaltvorgänge verhindern. Einige solcher Schaltvorgänge würden zu einer Gefahr für das Bedienpersonal führen, einige andere würden nur zu einer elektrischen Störung führen.
Basisverriegelung
Verriegelungsfunktionen können in eine vorhandene Funktionseinheit integriert werden. Einige dieser Funktionen sind gemäß der IEC 62271‑200 (VDE 0671-200) obligatorisch, einige andere Funktionen sind kundenseitig wählbar. Der Zugang zum Inneren eines HS-Schaltfeldes erfordert z.B. einige Schaltvorgänge, die in einer vorgegebenen Reihenfolge durchgeführt werden müssen. Diese Schaltvorgäng müssen in umgekehrter Reihenfolge durchgeführt werden, um den Anfangszustand des Systems wieder herzustellen. Einwandfreie Schaltabläufe oder spezielle Verriegelungen können gewährleisten, dass die erforderlichen Schaltvorgänge in der richtigen Reihenfolge durchgeführt werden. Dann wird ein solcher zugänglicher Raum als „verriegelungsgesteuert zugänglich” oder „verfahrensabhängig zugänglich” eingeordnet. Auch für Anwender mit klar definiertem Schaltablauf können Verriegelungen eine zusätzliche Hilfe zur Gewährleistung der Bedienersicherheit darstellen.
Schlüsselverriegelung
Abgesehen von den in einer vorhandenen Funktionseinheit verfügbaren Verriegelungen (siehe auch 4.2), beruht die am weitesten verbreitete mechanische Abschließ-/Verriegelungsform auf der Schlüsselverriegelung.
Eine oder mehrere Schalthandlungen müssen ent- oder verriegelt werden, je nachdem ob die erforderlichen Bedingungen erfüllt sind oder nicht.
Diese Bedingungen können in einzelne und obligatorische Schaltfolgen integriert werden, wodurch die Personen- und Anlagensicherheit durch Vermeidung einer nichtkorrekten Schaltfolge gewährleistet ist.
Die Nichtbeachtung der korrekten Schaltfolge kann in jedem Fall ernste Konsequenzen für das Bedienpersonal und für die betreffende Anlage haben.
Hinweis: Die Erstellung eines Verriegelungsplans ist in der Planungsphase einer HS/NS-Umspannstation von großer Bedeutung. Somit werden die betreffenden Anlagenteile während der Herstellung angemessen bestückt und die Kompatibilität der Schlüssel und Abschließvorrichtungen ist gewährleistet.
Betriebskontinuität
Für eine vorhandene Schaltanlage bilden die Festlegung der zugänglichen Räume und deren Zugangsbedingungen die Grundlage der Klassifikation „Verlust der Betriebskontinuität” gemäß der IEC 62271‑200 (VDE 0671-200). Die Verwendung von Verriegelungen oder nur die Einhaltung eines korrekten Schaltablaufes haben keinen Einfluss auf die Betriebskontinuität. Nur der unter normalen Betriebsbedingungen erforderliche Zugang zu einem vorhandenen Schaltanlagenteil führt zu Einschränkungen, die sich mehr oder weniger stark auf die Kontinuität des elektrischen Verteilungsprozesses auswirken können.
Verriegelungen in Umspannstationen
In einem HS/NS-Verteilnetz mit:
- einem einzigen Einspeise-HS-Schaltfeld oder zwei Einspeiseschaltfeldern (von Paralleleinspeisungen) oder zwei Einspeise-/Abgangsringkabelanlagen,
- einem Schalt- und Schutzgeräteschaltfeld für den Transformator, das einen Lasttrennschalter mit HH-Sicherungen und einen Erdungsschalter oder einen Leistungsschalter mit einem Erdungsschalter enthalten kann,
- einem Transformatorraum.
Die Verriegelungen ermöglichen Schaltvorgänge und den Zugang zu verschiedenen Schaltfeldern unter folgenden Bedingungen:
In einzelne Funktionseinheiten integrierte Standardverriegelungen
- Betätigung des Lasttrennschalters
- wenn die Schaltfeldtür geschlossen und der angeschlossene Erdungsschalter geöffnet ist.
- Betätigung des Lasttrennschalters des Transformatorschaltfeldes
- wenn die Schaltfeldtür geschlossen ist und
- wenn der Leistungsschalter geöffnet und der (die) Erdungsschalter geöffnet ist (sind).
- Schließen eines Erdungsschalters
- wenn der (die) angeschlossene(n) Lasttrennschalter geöffnet[1]ist (sind).
- Zugang zu jedem Schaltfeld bei festgelegten Verriegelungen
- wenn der Lasttrennschalter für den Raum geöffnet ist und der (die) Erdungsschalter für den Raum geschlossen ist (sind).
- Schließen der Tür jedes zugänglichen Raumes bei festgelegten Verriegelungen
- wenn der (die) Erdungsschalter für den Raum geschlossen ist (sind).
Verriegelungen der Funktionen mehrerer Funktionseinheiten oder separater Geräte
- Zugang zu den Anschlussklemmen eines Verteiltransformators
- bei geöffnetem Transformatorschalter und geschlossenem Erdungsschalter der Funktionseinheit. Aufgrund einer möglichen Rückkopplung von der NS-Seite sollte durch eine Mitnahmeschaltung bei Öffnen des Transformatorschalters automatisch der NS-Hauptschalter die NS-Anlage vom Netz trennen.
Praktisches Beispiel
In einer Kundenstation mit NS-Messung ist der am häufigsten verwendete Verriegelungsplan HS/NS/TR (HS/NS/Transformator).
Ziel der Verriegelung ist:
- die Sperrung des Zugangs zum Transformatorraum, wenn der Erdungsschalter nicht vorher geschlossen wurde,
- die Schließsperre des Erdungsschalters in einem Schalt- und Schutzgeräteschaltfeld des Transformators, wenn der NS-Leistungsschalter des Transformators nicht vorher in Schaltstellung „offen” oder „ausgefahren” verriegelt wurde.
Der Zugang zu den HS- oder NS-Anschlussklemmen eines Transformators (vorgeschalteter Schutz durch ein Transformatorschaltfeld mit einem HS-Lasttrennschalter mit HH-Sicherungen und einem HS-Erdungsschalter) muss dem unten beschriebenen Schaltablauf genau entsprechen und wird durch die Schaltbilder in Abb. B20 veranschaulicht.
Hinweis: Der Transformator in diesem Beispiel verfügt über HS-Anschlussstecker, die nur durch Entriegelung eines Befestigungselements für alle drei Anschlussstecker[2] entfernt werden können.
Der HS-Lasttrennschalter ist mechanisch so mit dem HS-Erdungsschalter verbunden, dass nur einer der Schalter geschlossen werden kann, d.h. das Schließen eines Schalters führt automatisch zur Schließsperre des anderen Schalters.
Schaltablauf zur Trennung und Erdung des Leistungstransformators und Entfernen der HS-Anschlussklemmenstecker (oder Schutzabdeckung)
Anfangsbedingungen
- HS-Lasttrennschalter und NS-Leistungsschalter sind geschlossen.
- HS-Erdungsschalter ist durch den Schlüssel „O” in der Schaltstellung „offen” verriegelt.
- Der Schlüssel „O” ist im NS-Leistungsschalter verriegelt, solange dieser Leistungsschalter geschlossen ist.
Schritt 1
- Den NS-Leistungsschalter öffnen und mit dem Schlüssel „O” verriegeln.
- Der Schlüssel „O” ist dann entriegelt.
Schritt 2
- Den HS-Schalter öffnen.
- Prüfen, ob die Spannungsanzeigen ausgehen, wenn der HS-Schalter geöffnet wird.
Schritt 3
- Den HS-Erdungsschalter mit Schlüssel „O” entriegeln und den Erdungsschalter schließen.
- Der Schlüssel „O” ist dann verriegelt.
Schritt 4
Die Zugangsklappe der HH-Sicherungen kann jetzt entfernt werden (d.h. sie wird durch Schließen des HS-Erdungsschalters entriegelt). Der Schlüssel „S” befindet sich in dieser Klappe und wird durch Schließen des HS-Schalters verriegelt.
- Den Schlüssel „S” drehen, um den HS-Schalter in der Schaltstellung „offen” zu verriegeln.
- Der Schlüssel „S” ist dann entriegelt.
Schritt 5
Der Schlüssel „S” ermöglicht das Entfernen der Verriegelungsvorrichtung der HS-Anschlussklemmenstecker des Transformators oder (ggf.) der Schutzabdeckung der Anschlussklemmen.
In beiden Fälle führt das Aufdecken von ein oder mehreren Anschlussklemmen zur Verriegelung des Schlüssels „S”.
Ergebnis dieses Schaltablaufes:
- Der HS-Schalter ist durch den Schlüssel „S” in der Schaltstellung „offen” verriegelt. Der Schlüssel „S” ist an den Transformatoranschlussklemmen verriegelt, solange die Anschlussklemmen aufgedeckt sind.
- Der HS-Erdungsschalter befindet sich in der Schaltstellung „geschlossen”, ist jedoch nicht verriegelt, d.h. er kann geöffnet bzw. geschlossen werden. Bei der Durchführung von Wartungsarbeiten wird im Allgemeinen ein Vorhängeschloss verwendet, um den Erdungsschalter in der Schaltstellung „geschlossen” zu verriegeln. Dabei muss der Schlüssel des Vorhängeschlosses durch eine aufsichtshabende Person gehalten werden.
- Der NS-Leistungsschalter ist durch den Schlüssel „O” in der Schaltstellung „offen” verriegelt. Der Schlüssel ist durch den geschlossenen HS-Erdungsschalter verriegelt. Der Transformator ist daher sicher isoliert und geerdet.
- Bevor an dem Transformator gearbeitet werden darf, muss auch die NS-Seite des Transformators geerdet werden. Dies kann z.B. mit einer flexiblen, typgeprüften Erdungseinrichtung geschehen. Entsprechende Anschlusspunkte, z.B. Kugelbolzen, müssen am Transformator vorhanden sein.
Es sei darauf hingewiesen, dass der vorgeschaltete Anschluss des Lasttrennschalters im beschriebenen Schaltablauf stromführend bleiben kann, da sich in dieser speziellen Schaltanlage die betreffenden Anschlüsse in einem separaten, nicht zugänglichen Raum befinden. Jede andere technische Lösung mit abgedeckten Anschlüssen in einem zugänglichen Raum würde weitere Abschaltungen und Verriegelungen erfordern.
Anmerkung: Auch bei perfekter Verriegelung dürfen die 5 Sicherheitsregeln nach EN 50100 (VDE 0105) nicht außer Acht gelassen werden, d.h. vor jedem Erden ist z.B. vorher auf Spannungsfreiheit zu prüfen.
Anmerkung
- ^ Liegt der Erdungsschalter in einem Einspeisestromkreis, dann liegen die zugehörigen Lasttrennschalter an beiden Enden des Stromkreises und müssen angemessen verriegelt werden. In solch einem Fall wird die Verriegelungsfunktion zu einer Schlüsselverriegelung für mehrere Einheiten.
- ^ Oder kann mit einer Schutzabdeckung über die drei Anschlussklemmen ausgestattet werden.